Dunkle Wolken überschatten in diesem Frühjahr die notwendige Aufgabenerfüllung des öffentlichen Dienstes in Bremen. Weil die zur Haushaltssicherung erhofften Mittel des Bundes ausbleiben, sind Senat und Bürgerschaft gehalten, die bisherigen ausgabewirksamen Planungen und Vorhaben zu reduzieren. Das bedeutet so oder so nicht unbeträchtliche Streichungen und Kürzungen auf allen Gebieten der Daseinsvorsorge. Zudem sind gravierende Veränderungen in der Aufgabenstellung der Verwaltungen zu erwarten, diese führen zugleich zur Reduzierung von Personalmittel. Personalkosten haben nämlich die unangenehme Eigenschaft, langfristig öffentliche Mittel zu binden, die dann nicht mehr zur Finanzierung geplanter Maßnahmen zur Verfügung stehen. Es kommt deshalb zwangsläufig zu permanenten Auseinandersetzungen um die Aufteilung von Sach- und Personalmitteln und die hier sich anbahnenden Konflikte sind nicht schlicht finanzieller Natur, sie werden von den gesell-schaftspolitischen Bewusstseinslagen der jeweils Handelnden mitbestimmt.
Es brennt somit an allen Fronten. Da geht es z. B. um die Sicherung und den Ausbau des Schul- und Ausbildungswesens, aber auch um die Bereitschaft weiterer Finanzierung von wirtschaftsstärkenden Infrastrukturmaßnahmen, gerade als Impulsgeber für neue Arbeitsplätze, die bei der großen Arbeitslosenzahl unbestreitbar von gesell-schaftspolitischem Gewicht sind; von Gewicht nicht nur für die Arbeitssu-chenden, sondern auch für die langfristige Verbesserung der Einnahmenseite der öffentlichen Hand. Gleichzeitig kann sich die bremische Politik nicht der Aufgabe entziehen, der auf soziale Absi-cherung angewiesenen Bevölkerungsteile diese zu ermöglichen. Und das ist und bleibt keine nachrangige Aufgabe, will man sich nicht von der gemeinsam nach 1945 unter mühseligen Anstrengungen erreichten Standortqualität für alle Bürger und Bürgerinnen verabschieden. Ein sozialverantwortliches Bremen war nämlich kein parteipoli-tisches Schlagwort, sondern Ausdruck eines Gemeinschaft begründenden Bewusstseins, das Grundlage aktiver Verteidigung bremischer Selbstständigkeit wurde.
Dieses vorangeschickt macht deutlich, vor welchen gewichtigen Fragen und möglichst sachgerechten Antworten Senat und Bürgerschaft stehen, wollen sie einen überzeugenden Beitrag zum Besten Bremens als föderaler Bundesstaat leisten. Dabei genügt es nicht über die Ursachen der Verschlechterung der Einnahmenseite der öffentlichen Hand zu klagen oder auf Erhofftes für die Zukunft zu spekulieren, es muss gehandelt werden. Doch nur ein Wüten mit dem „Rotstift“ auf der Ausgabenseite würde einer notwendigen Standortsicherung nicht gerecht - die gesamte Problematik gehört auf den Prüfstand. Und das verlangt neben konventionellen Überlegungen auch den Mut, nach neuen Wegen Ausschau zu halten. Heutige und morgige Aufgaben müssen auf Nachhaltigkeit überprüft werden, abzuwägen wäre ihre Bedeutung für eine Substanzsicherung bremischer Selbstständigkeit. Dass dabei auch Auftrag und Umfang des Personals des öffentlichen Dienstes mit in diesen Prüfvorgang einbezogen werden, ist selbstverständlich, nicht selbstverständlich wäre aber die Absicht, Veränderungen ohne vorherige zukunftsorientierte Aufgabenzuordnung durchzusetzen (dabei könnte auch mitabgewogen werden, ob eine weitere oder bereits vollzogene Privatisierung öffentlicher Aufgaben tatsächlich zur Bewahrung oder Verbesserung der Daseinsvorsorge oder der Daseinsfür-sorge geeignet wäre). Schnellschüsse lassen manch problematische Ergebnisse befürchten.
Nun kann ohne Kenntnis von konkreten Beschlüssen der parlamentarischen Gremien zu den bisher diskutierten Sparvorschlägen des Koalitionsausschusses nichts Konstruktives gesagt werden außer, dass Stellenabbau, Arbeitszeitveränderungen oder Kürzungen von Lohn- und Gehaltsbestand-
teilen allein weder die bremische Finanznot beseitigen, noch die Motivation der im öffentlichen Dienst Beschäftigten stärken wird. Und das in einer Zeit, wo wir auf die Mithilfe der Bediensteten ganz besonders angewiesen sind. Sorgen wegen eines drohenden Absinkens des Lebenseinkommens oder gar Angst wegen eines möglichen Arbeitsplatzverlustes führen gewiss nicht zu einem notwendigen Mittun bei der Lösung der vor uns liegenden Probleme.
Der vorhandenen allgemeinen Verunsicherung kann m. E. doch am ehesten in einem bewussten Angebot zur gemeinsamen Suche nach Perspektiven für die Zukunft entgegengewirkt werden. Wobei ein solches Angebot nicht Ausdruck von Schwäche, sondern von erfahrungsgesättigter Vernunft ist. Ohne Alternativvorschläge werden Verweigern, Aufbegehren oder Demonstrieren bei anerkannten Einsparnot-wendigkeiten nicht zu Lösungen führen. Allerdings ist keine Politik überzeugend, die nur fordert: „Augen zu und durch“. Deshalb mein Plädoyer für verantwortbare Gemeinsamkeit. Eine solche würde auch dem wachsenden Misstrauen gegenüber nicht verstandener Politik entgegenwirken. Wenn aber in einer solchen Situation am Beispiel eines versuchten Zurückdrängens von verfassungsmäßig begründeten Mitbestim-mungsrechten im öffentlichen Dienst augenscheinlich Mitwirkung und Mitverantwortung als Belastung angesehen sein sollte, dann ist mein Eintreten für mehr Gemeinsamkeit gewiss anachronistisch. Gleichwohl, ich bleibe dabei, denn ich halte nichts von Gemeinsamkeiten nur bei Sonnenschein, sie müssen sich bewähren, wenn es blitzt und donnert.
Und so wage ich, die an der Veränderung des Bremischen Personalvertretungsgesetzes Arbeitenden darauf hinzuweisen, dass die in Bremen nach 1945 gefundene Prämisse eines staatlichen Handelns mittels einer Koalition von Arbeitnehmerschaft und Unternehmensleitern immer noch Grundlage für gegenseitige Mitverantwortung in der Gestaltung bremischer Anliegen ist. Dieses Grundanliegen eines Miteinanders hatte einen speziellen Niederschlag in der Volksabstimmung über Artikel 47 unserer Landesver-fassung gefunden. Diese Landesverfassung und der genannte Artikel 47 verpflichtet uns alle. Deshalb ist die Mitwirkung und die Mitbestimmung im öffentlichen Dienst nicht eine Frage tagtäglicher neuer Beliebigkeit, sondern geschütztes Verfassungsrecht. Mitunter hat man allerdings zur Zeit das Gefühl, dass ein solches Prinzip nicht mit dem notwendigen Ernst betrachtet wird, obwohl man ansonsten bei eigenen Verfassungsrechten sehr bewusst auf sorgfältige Einhaltung pocht.
Progressiven Kräften in der Bremischen Bürgerschaft kann ich deshalb nur zurufen: Wehret den Anfängen und verhindert den Rückfall in vordemokratische Zeiten.
Hans Koschnick