Liebe Kolleginnen und Kollegen,
es ist schon ein erhebendes Gefühl diese Kulisse hier zu erleben. Wir bringen damit zum Ausdruck, dass der öffentliche Dienst in Bremen lebt und wir nicht bereit sind, alles mit uns machen zu lassen.
Wenn es nicht gelingen wird, die Gültigkeit des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst auch für die Länder und damit auch für Bremen durchzusetzen, dann werden wir spätestens im nächsten Jahr die 42-Stundenwoche für die Beamten bekommen, und das würde für die LehrerInnen dann eine weitere Pflichtstundenerhöhung von mindestens einer Stunde bedeuten. Das würde bedeuten, dass der Lehrerberuf als Vollzeitbeschäftigung kaum noch durchführbar wäre. Es bliebe dann nur noch der freiwillige Gehaltsverzicht über eine Stundenreduzierung, um im täglichen Arbeitsleben über die Runden zu kommen. Schon heute haben wir eine Teilzeitquote in manchen Bereichen von über 60% mit stark steigender Tendenz, weil die Arbeit bei immer weiter steigenden Klassenfrequenzen, immer schwierigeren Schülern und einer sich entwickelnden Schulbürokratie nicht mehr zu leisten ist.
Wir fordern deshalb eine Umkehr in der Arbeitszeitpolitik. Wer gute pädagogische Arbeit will, der muss die Spitzenbelastungen im Unterrichtsalltag abbauen und nicht immer neue Anforderungen oben draufpacken.
In kaum einem Bereich des öffentlichen Dienstes sind in den letzten 10 Jahren so viele Stellen abgebaut worden wie im Bildungsbereich. Dabei ist interessant, wo Schwerpunkte bei diesen Kürzungen liegen. Es sind besonders die Bereiche, in denen sich die Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen aus den unterprivilegierten Schichten befinden, nämlich z.B. in der Erwachsenenschule und der Allgemeinen Berufsschule. Alles Projekte, die ursprünglich als sozialdemokratische Vorzeigemodelle gepriesen wurden. Natürlich gibt es in der Bremer Bildungspolitik auch richtige Ansätze, um den Defiziten des Bremer Bildungswesens zu begegnen. Einer dieser Ansätze ist z.B. die Ganztagsschule, die, wenn sie über das Modell einer Aufbewahrung mit Suppenküche hinausgeht, eine richtige Antwort auf die veränderten Lebensbedingungen in unserer Gesellschaft darstellt, aber ein solches Modell kostet natürlich auch Geld.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, in der Presse war zu lesen, es sei unanständig, wenn die Beschäftigten sich hier heute versammeln. Aber worum geht es denn eigentlich, wenn wir hier für bessere Arbeitsbedingungen im öffentlichen Dienst streiten? Sind denn das nur unsere kleinlichen Eigeninteressen, für die wir uns einsetzen, oder geht es nicht auch darum, dass auch die Lebensqualität aller BürgerInnen von einem gut funktionierenden öffentlichen Dienst abhängt? Ist es deshalb nicht eher unanständig, wenn bei Polizei und Feuerwehr Personalmangel herrscht und unser aller Wohlergehen dadurch gefährdet wird? Ist es nicht eher unanständig, wenn es in den Kindertagesstätten zu wenig Plätze gibt und zu wenig Personal für Betreuung und Erziehung bereitgestellt wird und damit gleiche Startchancen für alle Kinder unmöglich sind? Oder ist es nicht eher unanständig, wenn in den Schulen zu wenig LehrerInnen in immer größeren Klassen immer mehr unterrichten müssen und damit die Zukunftschancen einer ganzen Gesellschaft aufs Spiel gesetzt werden?
Rolf Becker, Vorsitzender Personalrat Schulen