Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit jetzt auf die besondere Situation in der einzigen Einnahmeverwaltung unseres Landes richten. Sie hören immer wieder, wie schlecht es um den Bremer Landeshaushalt bestellt sei, und dass man deshalb diese oder jene Ausgaben kürzen oder streichen müsse. Aber wie oft, Kolleginnen und Kollegen, haben Sie schon gehört, dass der Senat die Einnahmen verbessern will, und zwar nicht durch einen dubiosen "Kanzlerbrief", sondern ganz konkret durch die Realisierung bestehender Gesetze?
Kolleginnen und Kollegen, hierbei geht es nicht um das Anziehen der Steuerschraube bei uns abhängig Beschäftigten. Unsere Steuern und Abgaben werden bereits an der Quelle erhoben, und wir haben kaum Gestaltungsmöglichkeiten. Das Problem sind vielmehr die Unternehmen, die Selbstständigen und die Bezieher von Vermögenseinkünften, die immer weniger zum Steueraufkommen beitragen. Sie profitieren am meisten von den Steuerrechtsänderungen der letzten Jahre, sie haben die Möglichkeiten, Steuerschlupflöcher zu nutzen, und sie nutzen diese Möglichkeiten. Steuerbetrügereien nehmen zu, und der Staat tut nichts dagegen. Im Gegenteil: Er unterstützt Schattenwirtschaft und Steuerhinterziehung, indem er seine einzige Einnahmeverwaltung schwächt, durch Personalabbau nach dem Rasenmäherprinzip.
Die Betriebsprüfer des Landes Bremen haben in den Jahren 2000 bis 2003 durchschnittlich 150 Mio. Euro Mehrsteuern pro Jahr festgestellt. 95% der Betriebsprüfungen führen zu Nachzahlungen, in vielen Fällen sogar zu sehr hohen. Es gibt Branchen, in denen die Betrugsquote nahe 100% liegt.
Wer nun denkt "das ist doch ganz klar, dass hier verstärkt geprüft wird und dass dieses Geld geholt wird", der muss sich eines Besseren belehren lassen. 1996 hat Bremen aufgehört, im gehobenen Dienst der Steuerverwaltung auszubilden und erst jetzt wieder damit begonnen. Es sind zehn Jahre, die der Steuerverwaltung an kontinuierlicher Ausbildung fehlen, und es dauert fast zehn Jahre, bis aus einer Neueinstellung ein halbwegs erfahrener Prüfer geworden ist. Und es sind fast 25% aller Prüfer unseres Landes, die innerhalb der nächsten fünf Jahre in den Ruhestand gehen werden. So, Kolleginnen und Kollegen, sieht die Einnahmenverbesserung des Senats aus!
Es ist Geld, das unserem Gemeinwesen für immer verloren geht. Es ist aber auch das Geld, das in unseren Schulen, in den Kitas, bei Polizei, Feuerwehr und in vielen anderen Bereichen, letztlich aber auch bei uns allen persönlich, nämlich in Form von Urlaubs- und Weihnachtsgeld, fehlt. Der Senat spart, doch er spart am falschen Ende. Denn: Wer an der Einnahmeverwaltung spart, der spart Einnahmen!
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Winfried Noske, Vorsitzender Personalrat Finanzamt Bremen-Ost