Liebe Kolleginnen und Kollegen,
im Vorfeld dieser Personalversammlung wurde uns durch die Presse entgegen gehalten: Euch im öffentlichen Dienst geht es doch viel zu gut, der ganze Beamtenapparat ist ohnehin viel zu aufgebläht und teuer.
Gespart wird bei den Leistungen für die Menschen dieser Stadt, bei der Gesundheit, der Sicherheit, bei Hilfesuchenden und Alten und nicht zuletzt bei denen, die in Zukunft unsere Stadt gestalten sollen: bei den Kindern und Jugendlichen. Kolleginnen und Kollegen - das müssen wir den Menschen dieser Stadt sagen - auch deshalb sind wir hier heute zusammen gekommen.
Unsere KollegInnen in der wirtschaftlichen Hilfe und die für Hartz IV zuständigen in der BagIS, haben den einschneidenden gesellschaftlichen und sozialpolitischen Umbauprozess der Bundesregierung umzusetzen. Unter enormem Druck wurden diese Maßnahmen übers Knie gebrochen. Eine riesige Umorganisation traf die KollegInnen schlecht vorbereitet. Einige wurden durch die Fortbildungen nur so durchgepeitscht, andere wurden bis heute nicht richtig für die neuen Aufgaben qualifiziert. Die Technik funktionierte nur begrenzt und den KollegInnen wird das doppelte bis dreifache an Arbeit zugemutet. Lange Warteschlangen, unzufriedene Hilfeempfänger erhöhen den Druck auf die ohnehin überlasteten KollegInnen. Das Ganze für ein neues Gesetz, welches hinsichtlich seiner Auswirkungen -nicht nur bei den betroffenen Hilfeempfängern- mehr als umstritten ist.
Als Personalrat für den KiTa-Bereich bin ich in den letzten Tagen gefragt worden: Ist es denn verantwortbar, dass die KollegInnen der KiTa zu der Personalversammlung gehen und in den Einrichtungen nur Notdienst anbieten? Unsere Antwort: Es ist unverantwortlich, in dieser Situation nicht seine Rechte wahrzunehmen. KollegInnen, die sich nicht mehr wehren, haben aufgegeben, sind resigniert, entmotiviert. Eine denkbar ungünstige Voraussetzung für eine verantwortungsbewusste Arbeit. Das wissen auch die Eltern in den KiTas. Sie wissen, diese Personalversammlung richtet sich nicht gegen sie oder gar ihre Kinder.
Im Bereich der KiTas ist die Betroffenheit groß:
Trotz alledem
Jetzt möchte Sonja Buchwald zu euch sprechen.
Zur Zeit bin ich bis zum 31.07.2005 befristet mit 22,75 Stunden pro Woche eingestellt. Ob es in 2005 wieder einen Anschlussvertrag für mich gibt, entscheidet sich in den nächsten Tagen. Mir droht nach fast dreijähriger Arbeit mit 10 befristeten Verträgen die Arbeitslosigkeit. Letztes Jahr kam der rettende Anruf für meine befristete Weiterbeschäftigung einen Tag vor Auslaufen meines Vertrages.
Mein Nettoeinkommen liegt bei circa 780 Euro; wegen der Senatsentscheidung vom Oktober 2004 habe ich nur noch ein halbes Weihnachts- und gar kein Urlaubsgeld mehr. Im November wurde mir zwar das volle Weihnachtsgeld gezahlt, zwei Wochen später kam aber die Mitteilung, dass ein Teil davon wieder abgezogen wird.
Außerdem wirkt sich die beschlossene Arbeitszeiterhöhung auf 40 Wochenstunden bei Teilzeitkräften auch auf das Gehalt aus: Die Bezüge werden anteilmäßig gekürzt. Insgesamt bedeutet dieses eine Reduzierung meines Einkommens um circa 9%, das sind im Monat circa 70 Euro weniger.
Ich bin Erzieherin geworden, weil mir die Arbeit mit Kindern sehr viel Spass macht. Aber es ist kein Hobby, es ist mein Beruf, und ich muss von meinem Verdienst leben. Ich wünsche mir ein unbefristetes Arbeitsverhältnis und dass der Tarifvertrag für alle übernommen wird, damit wieder jeder für gleiche Arbeit auch gleiches Geld erhält.
Sonja Buchwald, Erzieherin im Kindertagesheim
Ich denke an dem Beispiel von Sonja ist deutlich geworden, dass das mit den sicheren Arbeitsplätzen im öffentlichen Dienst, zumindest für unseren Arbeitsbereich, nicht zutreffend ist.
Abschließend noch ein paar Worte aus der Sicht eines langjährigen Personalrates: Die unsoziale Politik von Bund, Ländern und Gemeinden trifft auch unseren Arbeitsbereich, schlägt direkt auf uns durch. Es ist nicht leicht, immer wieder die Kraft, den Mut und die Überzeugung aufzubringen, gegenzuhalten und andere zu ermuntern, mitzumachen. Wir fühlen uns auch manchmal überfordert gegen die übermächtige Flut gesellschaftlich organisierter Entsolidarisierung, Vereinzelung und Privatisierung. Werte und Regeln, die die Generation unserer Eltern aus bitterer Erfahrung aufgebaut und verankert und die wir zu wahren und zu verteidigen haben, brechen nach und nach weg. Es ist immer schwerer zu ertragen, wie soziale Ungerechtigkeit immer mehr Menschen an den Rand drängt.
So lange wir immer noch wichtige Arbeitnehmerrechte zu verteidigen haben, so lange einige Wenige große Steuergeschenke erhalten und der Rest zu Opfern herangezogen wird, so lange diese Stadt Prestigeobjekte baut und hochtrabende Projekte finanziert, als gelte es, dass jeder Politiker dieser Stadt sich ein Denkmal setzen müsste, so lange immer mehr Menschen einen starken Staat brauchen und so lange andere Länder wie Schweden und Finnland zeigen, dass es erfolgreich ist, bei den Kindern zu investieren, so lange gibt es keine Alternative: Wir müssen weiter unsere berechtigten Forderungen nach außen tragen, aufdecken, Alternativen aufzeigen und dafür kämpfen.
Wir brauchen Widerstand und Aktionen, statt Resignation und Rückzug.
Abschließend möchte mich noch direkt an Henning Scherf wenden: In den 80iger Jahren hat Henning Scherf, als Sozialsenator, für die Bremer Politik den Satz mitgeprägt: Wenn wir denn schon nicht genügend Geld für alle haben, ist es Verpflichtung des Staates, sich besonders um die Kinder und ihre Familien zu kümmern, die am meisten auf unsere Hilfe angewiesen sind. So entstanden, mit dem Sozialsenator Scherf, Schwerpunkte für Behinderte und Benachteiligte. Jetzt wird das Rad zurück gedreht!
Ich sage, wer Ungleiche gleich behandelt, verschärft die Ungleichheit, entfernt sich von sozialer Gerechtigkeit, grenzt aus!
So werden soziale Spannungen verschärft, wir brauchen mehr Investitionen für eine menschliche Stadt.
Rainer Müller, Vorsitzender Personalrat KiTa Bremen