Es gibt Fälle, die wollen kein Ende nehmen. In den 50er Jahren des letzten
Jahrhunderts war es der Kriminalfall Maria Rohrbach, der die Gemüter bewegte und immer wieder aufgerollt wurde. Seit Anfang des 2. Jahrtausend n. Chr. beschäftigt uns regelmäßig das Siemens-Hochhaus. Nicht, dass sich zwischenzeitlich etwas für die Kolleginnen und Kollegen geändert hätte: Im Süden brennt die Sonne heiß und weiterhin Eishauch auf der Nordseite. Auch die Trockenstarre beim Raumklima ist bisher erhalten geblieben, ebenso wie die revitalisierende Gewächshausfeuchte in anderen Räumen.
Aber es gab Verhandlungen fast ohne Ende und schließlich einen Plan.
Verbesserungen an der Fassade waren vorgesehen, und die Klimaanlage sollte
saniert werden. Natürlich unter finanzieller Beteilung der Stadt, die das Gebäude erst gekauft, dann wieder verkauft hatte und jetzt ja nur noch Mieterin ist, für 30 Jahre - davon sind 3 schon abgewohnt. Nun gibt es einen neuen Plan: Raus aus dem Mietvertrag wegen vorhandener Formfehler (Rechtsstreit vorprogrammiert?).
Der Standortälteste hat die Entwicklung mit der ihm eigenen Aufmerksamkeit verfolgt: „Ihr wisst ja, wie sehr mir das Siemens-Hochhaus ans Herz gewachsen ist“, verlautet er. „Diese schlichte Eleganz und das Ambiente. Und der Rundblick von den oberen Etagen. So was kann man nicht kaufen - einfach unbezahlbar -zumal, wenn sich die Sonne frühmorgens am Firmament glutrot über der Silhouette der ehrwürdigen SKP* erhebt. Das ist wie, wenn sie hinter der alten Sankt-Firminus-Kirche in Dötlingen hervorkommt, um zu unserer aller Erbauung in den jungfräulichen Tag aufzusteigen.
Sinnesfreude pur, da will jeder ein Fensterplätzchen“, schwelgt er vor sich hin. „Wenn jetzt auch noch gute Luftverhältnisse kommen, dann bleiben
keine Wünsche übrig. Als ich noch Mieter in meiner alten Wohnung mit den
unseligen Doppelglasfenstern war, kam der Vermieter auch nicht täglich
vorbei, um zu lüften. Das musste ich selber tun, sonst wäre alles spakig
geworden. Die Kostenbeteiligung der Stadt sehe ich deshalb als kleinen
Beitrag zu Schönheitsreparatur und Substanzerhaltung an“, verteidigt er
die erneuten finanziellen Belastungen für den Staat.
Die Kündigung des Mietverhältnisses ist für ihn keine Alternative. „Dann müssen die Kollegen schon wieder auf Wanderschaft gehen. Was da für Zeit draufgeht, und was das kostet, wenn so eine Menge Mensch und Material bewegt werden
muss. Außerdem ist der Mensch ein Gewohnheitstier und kann - wie im
Siemens-Hochhaus - auch unter extremen Bedingungen durchkommen.
Das ist wohl auch nötig, denn wenn ein Rechtsstreit kommt, gibt es weder
kurzfristige Luftverbesserung noch einen Umzug. Aber vielleicht wäre es sowieso ein Umzug vom Regen in die Traufe“, wirbt er für den Verbleib am angestammten Platz.
Als ein Kollege anmerkt, man hätte den Kasten nie kaufen und schon gar
nicht zurückmieten dürfen, weil der „abgerissen gehört“, verliert der Standortälteste seine sprichwörtliche Zurückhaltung in schwierigen Lagen
(die sog. „Contenance“) und wird fuchtig: „Man kann nicht Millionenwerte,
die in Verbindung mit dem Denkmal der 7 Faulen vor der Fassade
erfolgversprechend als Weltkulturerbe angemeldet werden könnten,
einfach in Schutt und Asche legen. Das wäre sündengleich. Schließlich
käme auch niemand auf die Schnapsidee, unseren geschichtsträchtigen
Hauptbahnhof einzuäschern, nur weil es da so höllisch zieht.
Peter Garrelmann
Die Senatskommission für das Personalwesen hätte am 22. Dezember 2005 ihren 95. Geburtstag begehen können, wenn man sie gelassen hätte.