Die Bundesländer haben zukünftig die Lizenz zum Besoldungsdumping. Das ist das Ergebnis der Föderalismusreform, die Bundestag und Bundesrat kurz vor der Sommerpause verabschiedet haben. Es ist absehbar, dass Bremen als Haushaltsnotlageland reichlich davon Gebrauch machen wird.
Nachdem der erste Versuch einer Föderalismusreform vor der Bundes-tagswahl noch an scheinbar unüberbrückbaren Gegensätzen zwischen SPD und CDU bzw. Bundestag und Bundesrat gescheitert war, hatten beide Parteien das Thema in ihrem Koalitionsvertrag wieder auf die Tagesordnung gesetzt. Damit sollen die Zuständigkeiten von Bund und Ländern klarer voneinander abgegrenzt werden. In vielen Bereichen geht die Gesetzge-bungskompetenz vom Bund auf die Länder über. Damit erhalten diese eigene Gestaltungsspielräume. Zudem entfallen auf Bundesebene in entsprechendem Umfang Gesetzgebungsverfahren, bei denen die Zustimmung des Bundesrates erforderlich ist.
Ein wichtiger Bereich, der davon betroffen ist, ist das gesamte Recht des öffentlichen Dienstes. Der Bund soll zukünftig nur noch für das Statusrecht der Beamtinnen und Beamten zuständig sein. Laufbahnen, Besoldung und Versorgung fallen damit in die Verantwortung der Länder. Somit geht die Föderalismusreform weit über das hinaus, was 2004 im Eckpunktepapier „Neue Wege im öffentlichen Dienst“ zwischen dem Bundesinnenminister Otto Schily, dem dbb-Vorsitzenden Peter Heesen und dem ver.di-Vorsitzenden Frank Bsirske vereinbart und im Juni 2005 von der damaligen Bundes-regierung im Entwurf eines Strukturreformgesetzes beschlossen worden war. Danach war unter anderem vorgesehen, im Laufbahnrecht mehr Gestaltungsspielräume für Bund und Länder zu schaffen und bei der Bezahlung leistungsbezogene Elemente einzuführen sowie in begrenztem Umfang regionale Unterschiede zu ermöglichen.
Wenn auch schon diese gemeinsame Absichtserklärung besonders aus praktischer Sicht eine ganze Menge Fragen aufwarf, so sollte doch wenig-stens ein verbindlicher Rahmen erhalten bleiben. Nunmehr soll der Bund sich jedoch fast vollständig aus Angelegenheiten heraushalten, die die Beamtinnen und Beamten der Länder und der Kommunen betreffen.
Offensichtlich ist dabei das Interesse vieler Länder, die Besoldung nach eigenem Gutdünken festlegen zu können - und das heißt wohl in erster Linie absenken. So haben auch zahlreiche Sachverständige in der Anhörung der Rechtsausschüsse von Bundestag und Bundesrat die Erwartung geäußert, dass es zu einem Wettlauf nach unten oder gar zu „Besoldungsdumping“ kommen werde. Die Kürzungspläne einiger Länder waren ja auch schon 2003 Triebkraft für die Öffnung der Sonderzahlungen für länderspezifische Regelungen. Diese Öffnung hat mittlerweile - ganz im Sinne der Befürworter eines Wettbewerbsföderalismus - eine große Vielfalt an Regelungen hervorgebracht. Allen ist gemeinsam, dass die Sonderzahlungen weit unter dem früheren Niveau liegen.
Auf längere Sicht sind allerdings noch viel weiterreichende Verwerfungen zu befürchten. Die Länder (und der Bund für sich selbst) haben ja nun die Kompetenz, das gesamte Besoldungs- und Versorgungsrecht neu zu erfinden. Das heißt: Nicht nur einzelne Werte können verändert, sondern die ganze Besoldungstabelle kann neu strukturiert werden. Unterschiedliche Laufbahnvoraussetzungen könnten dazu führen, dass ein Dienstherren-wechsel erschwert wird. Und wenn er doch möglich sein sollte, ist noch lange nicht klar, wie sich das auf die spätere Versorgung auswirkt. Gegebenenfalls müssten dann Staatsverträge geschlossen werden, um wenigstens einen Teil der Gemeinsamkeiten wiederherzustellen, die jetzt aufgegeben werden sollen.
Absehbar ist damit auch, dass die Länder große Apparate für die Regelung und Verwaltung ihres eigenen Beamten- und Versorgungsrechts aufbauen müssten. Gerade aus der Sicht eines kleinen und zudem in schwieriger Finanzsituation befindlichen Bundeslandes wie Bremen ein wenig erstrebenswertes Szenario.
Der Bremer Senat kennt die Probleme, die sich aus der Föderalisierung des öffentlichen Dienstrechts ergeben. Entsprechend kritisch hat sich Bürgermeister Jens Böhrnsen auch vor der Personalrätekonferenz am 8. Dezember 2005 geäußert. Gleichwohl hat Bremen der Föderalismusreform nicht nur zugestimmt, sondern den Gesetzentwurf dazu sogar in den Bundesrat eingebracht. Ein Grund dafür ist die geplante zweite Stufe der Föderalismusreform zur Neuordnung der Finanzbeziehungen (siehe auch Kasten Seite 13), aus der Bremen sich eine gerechtere Verteilung der Steuereinnahmen erhofft.
Manfred Soboll