Mit den Doppelhaushalten 2006/07, die in der Juni-Sitzung der Bürgerschaft beschlossen worden sind, wird eine deutliche Kurskorrektur in der bremischen Haushaltspolitik in Gesetzesform gegossen. Der Gesamtpersonalrat hat diese Neuorientierung in seiner Stellungnahme zu den Haushaltsentwürfen und zum Finanzrahmen 2005/09 anerkannt, zugleich aber kritisiert, dass nach wie vor ein abstraktes finanzpolitisches Ziel den konkreten Aufgaben und damit notwendigen Ausgaben übergeordnet wird: Im Jahr 2009 soll ein ausgeglichener Primärhaushalt (d.h. ein Haushalt, bei dem „nur“ die Zinsausgaben durch neue Kredite finanziert werden) erreicht werden. Der Senat hat sein darauf ausgerichtetes Konsolidierungskonzept mit der erneuten Verfassungsklage nach Karlsruhe geschickt und tut nun so, als werde jedes Abweichen von diesem Pfad unweigerlich zu einer Niederlage vor dem Bundesverfassungsgericht führen. Und damit Bremens Selbstständigkeit gefährden.
Der Schwerpunkt der in der Stellungnahme zusammengefassten Kritik des Gesamtpersonalrats an den Haushalten liegt darauf, dass nach dem Willen von Senat und Bürgerschaft einmal mehr die Personalhaushalte herhalten müssen, um die Ausgaben zu begrenzen. Die bisher immer veranschlagten Ausgabenkürzungen durch den ominösen „Solidarpakt“ sind mittlerweile durch das Ausbleiben von Einkommensteigerungen finanziert. Entsprechend den schon im letzten Jahr gefassten Koalitionsbeschlüssen wurde jedoch zusätzlich die Streichung des Weihnachtsgeldes der Beamtinnen und Beamten nach (inzwischen nicht mehr gültigem) niedersächsischem Vorbild und die Senkung der Sonderzahlungen an die Angestellten auf das derzeitige Niveau im BeamtInnenbereich eingeplant. Der Tarifabschluss vom 19. Mai 2006 führt tatsächlich zu geringeren Ausgaben im Angestelltenbereich, aber nicht in dem veranschlagten Umfang. Und die geringfügig gemilderte Streichung bei den Beamtinnen und Beamten haben Senat und Bürgerschaft flugs nicht ganz zutreffend dahingehend umgedeutet, dass damit im Finanzplanungszeitraum bis 2009 die Mittel für Tarifsteigerungen verbraucht seien. Ein angesichts einer Nettokreditaufnahme von 900 Mio. Euro wirklich beachtlicher Konsolidierungsbeitrag von rund 400.000 Euro wird übrigens mit der Verschlechterung der Freistellungsstaffel für Personalräte „erwirtschaftet“.
Mit den Koalitionsbeschlüssen von 2005 war unter anderem die Ausweitung des Personalabbaus mit der so genannten PEP-Quote auf alle Bereiche des bremischen öffentlichen Dienstes beschlossen worden. Gleichzeitig sollte die Quote von 2,5 % auf 1,3 % Personalabbau pro Jahr gesenkt werden, weil die Luft allenthalben schon recht dünn geworden ist. Im Finanzrahmen 2005/09 wurde nun wieder die Anhebung der PEP-Quote auf 2 % ab 2008 beschlossen. Es scheint, als hätte der Senat entgegen seinen anderslautenden Bekundungen doch von vornherein längere Arbeitszeiten eingeplant. Anders dürfte ein solcher Personalabbau nicht verkraftbar sein.
Am deutlichsten gekürzt wird gegenüber früheren Planungen bei den Investitionen. Sie sollen pro Kopf gerechnet mittelfristig auf das Niveau Hamburgs sinken. Von über 600 Mio. Euro im Jahr 2005 sinken sie bereits 2006 und 2007 auf jeweils rund 500 Mio. Euro. 2009 sollen nur noch 450 Mio. Euro zur Verfügung stehen. Da daraus auch noch außerhalb der Haushalte vorfinanzierte Investitionen früherer Jahre abbezahlt werden müssen, sinken die realen Spielräume noch deutlicher, als es in den Zahlen zum Ausdruck kommt.
Bei den sonstigen konsumtiven Ausgaben haben sich Senat und Bürgerschaft von den bisherigen unrealistischen Kürzungszielen (jährliche Senkung um 5,6 %) verabschiedet. Sie sollen nun nur noch geringfügig gegenüber dem Ist-Niveau von 2005 sinken.
Auf der Einnahmenseite geht der Senat in seinem Finanzrahmen von moderaten Steigerungen aus, wie sie sich aus den Daten der Steuerschätzung ergeben. Hinzu rechnet er ab 2007 auch zusätzliche Einnahmen aus der geplanten Erhöhung der Mehrwertsteuer. Insgesamt sollen damit die steuerabhängigen Einnahmen im Jahr 2009 um 12,2 % bzw. 280 Mio. Euro über denen des Jahres 2005 liegen. Hier liegt ein erhebliches Risiko, denn in den letzten 15 Jahren haben sich derartige Erwartungen regelmäßig nicht erfüllt - nicht zuletzt, weil Mehreinnahmen jeweils durch Steuergeschenke an Großunternehmen und Spitzenverdiener wieder zunichte gemacht wurden. Eine neue Unternehmenssteuerreform ist ja auch schon angekündigt. Gelingt es dem Senat nicht, Mindereinnahmen aus dieser Reform zu verhindern, ist die Finanzplanung Makulatur.
Burkhard Winsemann