Wie wir alle wissen, klagt Bremen erneut vor dem Bundesverfassungsgericht um Bundeshilfen und führt Verhandlungen innerhalb der Föderalismuskommission, um Auswege aus der Haushaltsnotlage zu finden. Gutachten von Bund und Ländern bestreiten allerdings den Anspruch auf neue Hilfen, weil Bremen angeblich noch „Luft“ hat im Haushalt und Einsparungen zum Teil nicht realisiert seien. Zum Beleg wird unter anderem auf die im Vergleich zu anderen Bundesländern höheren Sozialausgaben hingewiesen.
Die Arbeitnehmerkammer hat deutlich gemacht, dass solche Vergleiche kaum Sinn machen, wenn man sich nicht auch konkret mit den Gründen des Ausgabenniveaus auseinandersetzt. Eine Stadt hat andere Ausgabenstrukturen als ein Flächenland. Bremen hat bekanntlich eine große Zahl arbeitssuchender Menschen und entsprechend viele Familien und Einzelne sind abhängig von staatlichen Sozialleistungen. Geradezu grotesk ist es zu behaupten, es bestünde für Bremen gar keine wirkliche Notlage, solange das Geld reicht, um Sicherheit und Ordnung herzustellen. Soziale und kulturelle ebenso wie Bildungseinrichtungen könnten auf Sparflamme betrieben oder aber ganz geschlossen werden. Wer so denkt, nimmt die öffentlichen Dienste nur als Kostenfaktor wahr. Das ist falsch! Wir brauchen den öffentlichen Dienst, um die Aufgaben eines vorsorgenden Gemeinwesens wahrzunehmen. Wirtschaftlich und sparsam, aber mit hoher Qualität und bürgernah.
An diesem Punkt setzt die bremische Entbürokratisierungsinitiative an, an der sich die Arbeitnehmerkammer Bremen aktiv beteiligt. Zu viel „Bürokratie“ im Sinne überflüssiger Vorschriften, sinnloser Kosten, Ärger und Reibungsverluste im Umgang zwischen Behörden und Bürgerinnen und Bürgern sollen beseitigt werden. So wird überprüft, ob Gesetze und Verordnungen notwendig sind und ihren einmal gedachten Zweck erfüllen. Viel häufiger tragen aber organisatorische Defizite, unklare Zuständigkeiten und zu lange Informationswege dazu bei, dass Bürokratie bald als „überflüssig“ empfunden wird. Bürokratieabbau in diesem Sinne zielt daher nicht nur auf „Deregulierung“, sondern auf höhere Qualität und eine möglichst bürgernahe, moderne und leistungsfähige Verwaltungsorganisation. Doch leider wird das Projekt „Bürokratieabbau“ gerne auch missverstanden, nämlich um Personal abzubauen und Leistungen zugunsten der Bürgerinnen und Bürger zu verringern. Das darf nicht sein. Niemand hat etwas davon.
Alle haben etwas von einem leistungsfähigen öffentlichen Dienst, der sich gesellschaftlicher Bedarfe annimmt. Viele Kommunen haben Konsequenzen aus Fehlentwicklungen gezogen und machen einmal eingeleitete Privatisierungen wieder rückgängig, wenn Leistungen in eigenen Betrieben effektiver erbracht werden können. Weil der Kürzungsdruck nicht nachlässt, sollten wir gemeinsam mehr darüber nachdenken, welche Aufgaben wirtschaftlich und bürgernah mit eigenen Kräften besser bewältigt werden können. Die zwischenzeitlich fortschreitend auf Fremdleistungen umgestellte Innenreinigung ist ein gutes Beispiel dafür. „Billig ist gut“ stimmt nicht. Nicht „outsourcing“, sondern „insourcing“ ist hier gefragt.
Dafür gibt es einen weiteren Grund: Das Bundesland Bremen hat sich zudem entschieden, im Bund für die Einführung eines Mindestlohnes zu streiten. Vor diesem Hintergrund stünde es der öffentlichen Hand gut zu Gesicht, dafür zu sorgen, dass aus der Dienstleistungsgesellschaft keine Lohndumping-Veranstaltung wird.
Für die Bürgerinnen und Bürger zählen die Leistungen des öffentlichen Dienstes, die entscheidend ihre Lebensqualität in einer Stadt beeinflussen. Die Bürgerinnen und Bürger sind keine „Kunden“. Das Verhältnis zwischen Bürgerinnen und Bürger und Staat ist weniger einfach. Mal stehen ihre Leistungsansprüche gegenüber einer Verwaltung im Vordergrund, mal wird in ihre Rechte eingegriffen. Mal ist Versorgung gefragt, mal Selbsthilfe und Eigeninitiative.
Eine bürgernahe Verwaltung ist dabei in doppelter Weise ein “Standortfaktor“: Für die Bürgerinnen und Bürger ein Stück Lebensqualität ihrer Stadt. Für Unternehmen eine Unterstützung ihrer Aktivitäten.
Dr. Hans Endl