Die beiden Vorsitzenden der Föderalismusreformkommission, Struck und Oettinger, haben sich über die wichtigsten Punkte der Reform der föderalen Finanzverfassung („Föderalismusreform II“) geeinigt. Was wird sie Bremen bringen? MUMM hat dazu einen gewöhnlich gut unterrichteten Beobachter, der unerkannt bleiben möchte, interviewt.
[FETTDie Föderalismusreform II geht ja jetzt auf die Zielgerade. Das heißt doch, dass Bremen endlich mehr Geld bekommt und wir im bremischen öffentlichen Dienst aufatmen können, oder?]
In Bremen wird die Reform der föderalen Finanzverfassung immer unter dem Aspekt der Beendigung der Haushaltsnotlage diskutiert. Aus der Sicht des Bundes und der anderen Länder ging es aber schwerpunktmäßig darum, Bund und Länder auf neue, strengere Regeln für die Schuldenaufnahme zu verpflichten und damit auch stärker in die Einhaltung der so genannten Maastricht-Kriterien* einzubinden.
Damit diese so genannte „Schuldenbremse“ nicht als Papiertiger endet, weil die Grenzen von vornherein für einige Länder nicht erreichbar sind, hat man gesagt: Besonders hoch verschuldete Länder sollen Schuldendiensthilfen bekommen, um von einem Teil ihrer überdurchschnittlichen Zinszahlungen entlastet zu werden. So wird Bremen wohl als bescheidenen Nebeneffekt mit etwas mehr Geld aus der Sache herauskommen. Die Summen, die dabei diskutiert werden, sind aber nicht so, dass man von einem Ende der Haushaltsnotlage sprechen könnte. Und die Schuldendiensthilfen werden zeitlich befristet sein und haben auch vom Prinzip her nichts mit der eigentlich angestrebten gerechteren finanziellen Beteiligung Bremens an seiner eigenen Wirtschaftskraft zu tun.
[FETTWird also alles nur noch schlimmer?]
Man muss in der Tat davon ausgehen, dass die Föderalismusreform II den Kürzungsdruck in den nächsten Jahren noch verschärfen wird.
[FETTWarum hat Bremen dann überhaupt konstruktiv mitgemacht und sogar versucht, an der Spitze der Bewegung zu marschieren?]
Diese Frage können natürlich nur diejenigen beantworten, die das so entschieden haben. Zunächst einmal muss man feststellen, dass Bremen seine Verschuldung ohnehin bremsen muss. Die Frage ist nur, ob dafür eine starre Grenze der richtige Weg ist oder ob nicht viel mehr bei höheren Einnahmen angesetzt werden müsste.
Vielleicht hat man sich auch Illusionen darüber gemacht, wie viel für die Sanierung der bremischen Haushalte herauszuholen ist. Dafür hat der Senat zu viele Kröten geschluckt. Der eine oder andere in den Reihen vor allem des vorigen Senats hat vielleicht manches davon auch sehr gern in Kauf genommen.
[FETTWas denn zum Beispiel?]
Nur zur Erinnerung: Schon der 1. Teil der Föderalismusreform, der uns ja unter anderem den Flickenteppich bei der Besoldung eingebracht hat, ist uns in Bremen als notwendige Vorbedingung für eine bessere Finanzausstattung durch Teil 2 verkauft worden. Und jetzt werden im Kielwasser der finanzpolitischen Entscheidungen eine ganze Reihe von Dingen auf den Weg gebracht, die günstigstenfalls zweischneidig, überwiegend aber leider katastrophal sind.
[FETTZuerst die Zweischneidigen, bitte.]
In einigen Aufgabenbereichen, vor allem in der Informationstechnik, wird eine stärkere Vereinheitlichung angestrebt. Das wird in einigen Bereichen vielleicht dazu führen, dass die Ausgaben gesenkt werden können. In jedem Fall aber wird Bremen dadurch eigene Gestaltungsspielräume verlieren. Außerdem muss man aufpassen, was mit den Arbeitsplätzen geschieht.
[FETTUnd was ist katastrophal?]
Es wird vorgeschlagen, den Ländern Abweichungen von bundeseinheitlichen Regelungen zu erlauben, und zwar ausdrücklich unter finanziellen Gesichtspunkten. Unter den Bedingungen der Haushaltsnotlage läuft das natürlich auf drastische Kürzungen von Leistungen und Standards hinaus.
Zwar haben sich die Vorsitzenden in ihrem Papier ausdrücklich gegen Abweichungsrechte in den Bereichen Soziales und Umwelt ausgesprochen, aber man wird sehen, wie genau letztlich die Grenzen gezogen werden und ob das nicht nur ein Einstieg ist. Vielleicht heißt es in ein paar Jahren: Haushaltspolitisch interessant sind solche Abweichungsrechte nur, wenn sie auch den Sozialbereich umfassen. Wird Bremen dann Sozialleistungsempfänger in Armenhäuser schicken?
Auch Überlegungen, die Inanspruchnahme der Sozialgerichtsbarkeit mit Gebühren zu belegen und die Prozesskostenhilfe einzuschränken, drohen den Sozialstaat auszuhöhlen. Und das vor dem Hintergrund hoch komplizierter und mit heißer Nadel gestrickter Gesetze, die in der Anwendung entsprechend fehleranfällig sind - siehe Hartz IV.
Burkhard Winsemann
*Begrenzung der Schuldenaufnahme und des Schuldenstandes durch den Vertrag über die Europäische Währungsunion.