Die Innensenatoren kamen und gingen und mit ihnen viele Reformen, Sichtweisen und Ideen. Dieser Ideen-reichtum war und ist mit ständig wachsenden Belastungen für die Be-schäftigten verbunden. Dem Stadtamt wurden neue Ämter zugeordnet, wie die Einbürgerungsstelle und das Standesamt. Neue Gesetze wurden mit Zuständigkeit des Stadtamtes erlassen, wie zum Nichtraucherschutz und zur Disko-Meile. Gleichzeitig wur-de der Bürgerservice immer höher angesiedelt. Aufgabenzuwächse und -verdichtung sowie verlängerte Öffnungszeiten waren die Folge. Verlierer dieser Veränderungsprozesse sind unsere Kolleginnen und Kollegen, da die dafür notwendige Personalausstattung nicht erfolgt.
Das einstige Ziel eines zentralen Stadtamtes an einem Standort und den damit verbundenen Synergieeffekten ist in weite Ferne gerückt. Im Gegenteil: Das Stadtamt ist auf neun Standorte verteilt. Beschäftigte pendeln deshalb zwischen mehreren Standorten hin und her.
Die Beschäftigten des Stadtamtes erfüllen viele verschiedene ordnungsrechtliche Aufgaben mit etwa eine halbe Million Publikumskontakten jährlich. Viele dieser Aufgaben, wie z. B. Beurkundungen, Beglaubigungen, Kfz-Zulassungen, Gewerbe- und Gaststättenrecht, Melderecht, Ausländerrecht, Waffenrecht, Parkraumüberwachung, Bußgeldangelegenheiten betreffen inhaltlich nicht nur den Senator für Inneres und Sport sondern auch andere senatorische Bereiche. Ein finanzieller oder personeller Ausgleich zwischen diesen senatorischen Behörden wäre zu erwarten, ist jedoch bisher nicht erfolgt.
Das „Sterben“ der Meldestellen begann mit dem Konzept der BürgerServiceCenter. Sie wurden zunächst zu Bürgerämtern zusammengelegt und dann nach und nach ganz geschlossen. Am Ende blieben zwei BürgerServiceCenter und zwei Bürgerämter für Bremen und Bremen-Nord, in denen mit wenig Personal eine Vielzahl von Aufgaben bewältigt werden muss. Die Bürgerämter in Bremen-Nord wurden zuständigkeitshalber ebenfalls dem Stadtamt übertragen, und ein BürgerServiceCenter Nord befindet sich bereits in der Planung.
Man sollte erwarten, dass für einen guten Bürgerservice auch entsprechendes Personal und die erforderlichen finanziellen Mittel bereit gestellt werden. Leider ist das nicht der Fall: Ein stetiger Personalabbau von sechs Stellen jährlich spiegelt den Alltag des Stadtamtes wider. Gestresste und gesundheitlich angeschlagene Beschäftigte sind das Ergebnis der bremischen Sparpolitik. Da klingt die Aussage zur Halbzeitbilanz der rot-grünen Koalition: „Beim Bürgerservice müssen wir noch besser werden!“ wie Hohn in unseren Ohren.
Inzwischen ist es dem Stadtamt nur noch möglich, den Bürgerservice mit Mehrarbeitsstunden, Überstunden, Urlaubsverzicht und Urlaubssperren der Beschäftigten aufrecht zu erhalten. Zurückgeschreckt wird auch nicht davor, die Kolleginnen und Kollegen aus dem Erholungsurlaub zurückzuholen. In den meisten Abteilungen können die Aufgaben nur noch nach Prioritätenlisten erledigt werden. Selbst besonders sicherheitsrelevante Aufgaben, wie Überwachung gefährlicher Hunde oder Eignungsüberprüfung von Fahrerlaubnisinhabern nach Drogenmissbrauch, können nicht ordnungsgemäß wahrgenommen werden. Zur Entzerrung der Personalsituation kennt die Kreativität des jetzigen Innensenators Ulrich Mäurer und des Leiters des Stadtamtes Hans-Jörg Wilkens keine Grenzen. Sie gipfelt gegenwärtig in der Rekrutierung von Pensionären für das Standesamt.
Bei den in diesem Jahr neu geschaffenen Stellen für das Stadtamt handelt es sich überwiegend um befristete Einstellungen für ein Jahr zur Abarbeitung der massiven Rückstände. Eine Verstetigung dieser Unterstützungsmaßnahme ist dringend erforderlich, aber noch lange nicht gewährleistet. Stattdessen wird viel Geld für die Teilnahme an einem Vergleichsring (Benchmark) ausgegeben, um die Bremer Verhältnisse mit anderen Städten zu vergleichen. Diese Teilnahme bringt aber nur zusätzliche Kosten und zusätzlichen Aufwand für ein Ergebnis, das allen Beteiligten längst bekannt ist.
Eine 2007 im Stadtamt durchgeführte Fragebogenaktion zur betrieblichen Gesundheitsförderung hat alarmierende Ergebnisse ans Licht gebracht. Besonders auffällig ist die Zunahme der psychosozialen Erkrankungen. Im BSC Mitte klagen die Beschäftigten seit Jahren über Atembeschwerden oder Augenreizungen. Bauliche Maßnahmen zur Abhilfe kommen nur schleppend in Gang. Hinzu kommen die üblichen Stressfaktoren in Großraumbüros. Der Personalrat setzt sich intensiv dafür ein, diese Fehler im geplanten BürgerServiceCenter Nord nicht zu wiederholen. So sehr wir uns auch über die Sanierung des Standesamtes Bremen-Mitte freuen, dürfen wir nicht das marode Gebäude in der Johann-Lange-Straße oder das zunehmend verwahrloste Gebäude in der Funkschneise vergessen.
Trotz der beschriebenen katastrophalen Zustände und der damit einhergehenden Vernachlässigung der Aufsichts- und Fürsorgepflicht des Dienstherrn ist das Engagement der Beschäftigten des Stadtamtes unver-mindert hoch. Leider wird dieses seitens der Politik und aller Verantwortlichen weder gesehen, gewert-schätzt noch gewürdigt. In trauter Eintracht zeigen sich die Ressortverantwortlichen in der Öffentlichkeit und präsentieren die Ergebnisse ihrer Konzepte als ihren Erfolg, der fragwürdiger nicht sein kann.
Dieser Bürgerservice kostet am Ende wesentlich mehr als die Öffentlichkeit bezahlen kann, nämlich die Beeinträchtigung der Gesundheit der Beschäftigten des Stadtamtes sowie die Vernachlässigung gesetzlich vorgegebener Aufgaben. Hoffen wir, dass nicht ein weiteres folgenschweres Versäumnis die unerträgliche Arbeitssituation der Kolleginnen und Kollegen des Stadtamtes in die Öffentlichkeit trägt.
Personalrat Stadtamt Bremen