Beamtinnen und Beamte sind verpflichtet, sich mit voller Hingabe ihrem Beruf zu widmen. Zudem haben sie eine Treuepflicht gegenüber dem Dienstherrn zu wahren. Das alles folgt aus den „hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums“.
Konkret heißt das für Beamtinnen und Beamte: keine Verhandlungsrech-te und kein Streikrecht. Geduldet ist „Vortrag bei Hofe“ als Bittsteller, um die Interessen der Beamtinnen und Beamte zu verdeutlichen. In Deutschland jedenfalls.
In allen anderen großen europäischen Staaten ist ein Streikrecht für Beamten und Beamtinnen schon lange selbstverständlich. Deutschland bildet hier ein Schlusslicht, zumal auch keine kollektivvertraglichen Regelungen für Beamtinnen und Beamte gelten.
Internationale Überwachungsorga-ne kritisieren das Streikverbot für Beamtinnen und Beamte. Es verstößt gegen die Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) und gegen die europäische Sozialcharta. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat festgestellt, dass das Recht auf Kollektivverhandlungen und das Streikrecht von Artikel 11 der völkerrechtlich verbindlichen Europäischen Menschenrechtskonvention geschützt ist.
Es ist nicht nachvollziehbar, warum die Verpflichtung der Beamtinnen und Beamten zu Treue in Deutschland nach wie vor gekoppelt ist an das althergebrachte, strikt hierarchische Verhältnis „nach Gutsherrenart“ zwischen Dienstherr und Beamtinnen und Beamten.
Die beruflichen Erwartungen unserer Gesellschaft sowie der öffentlichen Arbeitgeber an die Beamtinnen und Beamten dagegen sind überaus modern: Nicht nur fachlich kompetent sollen sie sein, sondern auch in jeder Situation und in jeder Problemlage flexibel, bürgerfreundlich, souverän, engagiert, leistungsfähig, motiviert.
Es ist ein Widerspruch in sich, dass die Beamtinnen und Beamten sich in eigenen Angelegenheiten nicht engagieren dürfen: Bei der Gestaltung ihrer Arbeitsbedingungen und bei ihrer Bezahlung dürfen sie nicht als gleichwertige Verhandlungspartner agieren.
Es ist dringend an der Zeit, alte Zöpfe abzuschneiden, die „hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums“ zu modernisieren und ein neues, aufgeklärtes Verständnis des Beamtenrechts zu entwickeln. So sieht es das Grundgesetz in Artikel 33 Absatz 5 auch vor.
Die DGB-Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes (ver.di, GdP und GEW) setzen sich daher weiterhin für das Streikrecht für Beamtinnen und Beamte und für Verhandlungsrechte unter dem Motto „Verhandeln statt Verordnen“ ein!
Marita Rosenow (vereinte Dienstleistungsgewerkschaft)
Elke Baumann (Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft)
Horst Göbel (Gewerkschaft der Polizei)
Die verbeamteten Lehrkräfte haben im Februar am Streik im Rahmen der Tarif- und Besoldungsrunde 2009 teilgenommen. Ohne die Solidarität, die Aktionsbereitschaft und den Mut der verbeamteten Lehrkräfte wären die Aktionen nicht so erfolgreich gewesen. Die Besoldungserhöhung wurde gegenüber den ursprünglichen Planungen vorgezogen.
Im Vorfeld wurde auch aus Kreisen des Senats Verständnis für die Teilnahme der verbeamteten Lehrkräfte am Streik geäußert. Es ist daher nicht nachvollziehbar, warum ein halbes Jahr später gegen 756 Lehrkräfte Disziplinarverfahren wegen Verdacht eines Dienstvergehens eingeleitet wurden.
Das gesonderte Verfahren gegen die Landesvorstandssprecherin der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) wegen des Aufrufs zum Streik wurde nach massiven bundesweiten Protesten inzwischen zurückgezogen.
Wir fordern die Einstellung aller anderen Verfahren!