2009 haben sich die Wählerinnen und Wähler für einen Politikwechsel entschieden. Die CDU, an der Spitze Angela Merkel, wird nicht müde ihren Slogan als Partei der Mitte gebetsmühlenartig zu wiederholen. Der Koalitionspartner FDP ruft die geistig-politische Erneuerung aus. Die CSU mischt fleißig mit, frei nach dem Motto: An erster Stelle steht die bayrische Tourismuswirtschaft. Nun, wer im eigenen Land mit seiner Politik kein Profil entwickelt, versucht es eben über die Bundesebene. Die FDP bedient ihre Stammwähler: Klientelpolitik für Steuerberater, Hoteliers und Architekten und niedrige Steuern für Gut- und Besserverdiener. Ganz klar nach dem Prinzip: Mehr ICH und weniger WIR.
Wer hat, dem wird gegeben. Die Konsequenz: Die Umverteilung verschärft sich. Die Entsolidarisierung nimmt zu. Soziale Sicherung und Bildung werden privatisiert! Und das alles zu Lasten der Kommunen und damit auch zu Lasten aller Beschäftigten.
Auch wenn viele Wirtschaftskommentatoren ein besseres Jahr voraussagen - die Krise ist noch lange nicht vorbei. In den letzten Monaten haben die Firmenpleiten zugenommen. Allein im Land Bremen erhöhte sich die Zahl der Insolvenzverfahren von Januar bis September 2009 gegenüber dem Vorjahr um 12,9 %. Die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung verringerte sich trotz Kurzarbeit. 2010 wird das Jahr, in dem die Krise am Arbeitsmarkt ankommt.
Politik und Gewerkschaften sind gefordert alles zu tun, um die Beschäftigten vor den Folgen der Wirtschaftskrise zu schützen. Es kann nicht sein, dass für die Banken ein milliardenschwerer Schutzschirm aufgespannt wird und die Beschäftigten im Regen stehen bleiben sollen. Das Konjunkturprogramm II jetzt auslaufen zu lassen und auf die Selbstheilungskräfte des Marktes zu hoffen, ist die denkbar schlechteste Antwort. Dringend erforderlich ist,
+ ein weiteres Konjunkturprogramm III mit Investitionen in Infrastruktur, Innovation, Forschung und Bildung aufzulegen
+ die geförderte Altersteilzeit als Beschäftigungsbrücke zwischen Jung und Alt wieder einzuführen
+ unverschuldeter Armut (Abrutschen in Hartz IV nach einem Jahr Arbeitslosigkeit) durch ein zeitlich befristetes Überbrückungsgeld analog der Arbeitslosenhilfe vorzubeugen
+ die Krisenverursacher bei der Sanierung der überschuldeten Haushalte zur Kasse zu bitten
+ in den Bereichen Soziales und Bildung keinen Rotstift anzusetzen.
In allen großen Branchen stehen Tarifauseinandersetzungen an. Rufe nach Lohnzurückhaltung werden bereits laut. In guten und in schlechten Zeiten sollen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Lohnzurückhaltung üben. In guten Zeiten, um die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen nicht zu gefährden. In schlechten Zeiten, um die Arbeitsplätze zu sichern. Wenn es nach den Arbeitgebern geht, kommen Lohnerhöhungen nie zum richtigen Zeitpunkt. Aber bei Dividendenausschüttungen an die Aktionäre gelten natürlich keine Einschränkungen!
In den anstehenden Tarifrunden, auch im öffentlichen Dienst, wird es daher um Beschäftigungssicherung und um Entgelterhöhungen gehen. Die derzeitige Wirtschaftskrise und die geplanten Steuersenkungen führen zu erheblichen Einnahmeausfällen der Gebietskörperschaften. Besonders betroffen sind die Kommunen. Die öffentlichen Haushalte können aber nicht durch Einkommensverzichte der Beschäftigten saniert werden. Im Gegenteil: Sinkende Reallöhne würden die Binnenkonjunktur weiter schwächen.
Die Lage auf dem Arbeitsmarkt bleibt Dreh- und Angelpunkt auch für die Entwicklung des Konsums. Mit jedem Arbeitslosen mehr sinkt das verfügbare Nettoeinkommen. Das beeinträchtigt den binnenwirtschaftlichen Verbrauch. Arbeitslosigkeit verursacht hohe gesamtgesellschaftliche Lasten. Für die öffentlichen Haushalte bedeutet Arbeitslosigkeit geringere (Steuer-)Einnahmen und höhere Ausgaben im Rahmen der sozialen Sicherungssysteme. Die Belastungen der Kommunen durch Arbeitslosigkeit sind bereits heute größer als vor den Hartz-Reformen, denn die zu finanzierenden Kosten der Unterkunft wiegen schwerer als die frühere Sozialhilfe. Zugleich brechen insbesondere die Einnahmen bei der Gewerbesteuer weg. Mit den jetzt beschlossenen Steuersenkungen der schwarz-gelben Regierung wird sich die finanzielle Not der Kommunen vergrößern. In Bremen drohen dadurch Einnahmeausfälle von 38,5 Mill. Euro pro Jahr. Es ist nicht die Zeit, den öffentlichen Sektor weiter zu schwächen. Wir brauchen eine handlungsfähige Kommune!
Bisher haben die arbeitsmarktpolitischen Instrumente wie Kurzarbeitergeld und das Abschmelzen der Arbeitszeitkonten den Verlust von Arbeitsplätzen gebremst. Zunehmend ist allerdings zu beobachten, dass immer mehr Arbeitsplätze im produzierenden Gewerbe abgebaut werden. Mehr und mehr wird das Thema Arbeitszeitverkürzung diskutiert, damit die Arbeit auf mehrere Köpfe verteilt werden kann. Im Dienstleistungssektor wird der Niedriglohnbereich ausgedehnt. Deswegen werden die Gewerkschaften den Kampf um gerechte Löhne und eine flächendeckende Lohnuntergrenze fortsetzen.
Union und FDP wollen sich mit ihren Gesundheitsplänen aus dem solidarischen System verabschieden und damit den Weg zu einer Zwei- bis Drei-Klassen-Medizin ebnen. Es ist schon irrsinnig: In den USA wird für eine Krankenversicherung für alle gekämpft und in Deutschland wird ein gutes System von den Regierungsparteien in die Privatisierung gedrängt! Nun denn: Der überwiegende Teil der Politikerinnen und Politiker ist ja auch privat versichert. Der überwiegende Teil der Bevölkerung ist dagegen auf ein solidarisches System angewiesen. Mit den Plänen der schwarz-gelben Bundesregierung für eine Kopfpauschale im Gesundheitswesen werden Millionen von Geringverdienern und Rentnern zu bedürftigkeitsgeprüften Bittstellern des Staats gemacht.
Der Individualismus hat sich tief verfestigt. Die Liberalen hängen das Interesse weniger über das Allgemeinwohl. Milliardenschulden werden zu Lasten künftiger Generationen angehäuft. Das zum Thema: Wir müssen auch an die nächste Generation denken! In den kommenden Jahren steht ein harter Abwehrkampf um die Substanz, die Arbeitsplätze und die Zukunft der Branchen an. Hier gilt es neue Strategien zu entwickeln, der Klientelpolitik einen solidarischen Gesellschaftsentwurf entgegenzusetzen, die Wertegesellschaft zu stärken. Und dies gemeinsam mit Bündnispart-
nerInnen aus Gesellschaft und Politik.
Annette Düring