Viel Druck, schlechte, nicht tarifgerechte Bezahlung, keine geregelten Tätigkeiten, Befristung - das alles sind Merkmale prekärer Arbeitsverhältnisse. Menschen, die in solchen Arbeitsverhältnissen beschäftigt sind, haben aber auch Angst vor Repressalien, wenn sie vor die Öffentlichkeit treten. Ein Beschäftigter ist dennoch der Überzeugung, dass andere über die Bedingungen in prekären Arbeitsverhältnissen informiert werden sollten. Wir mussten aber unserem Inter-
viewpartner versprechen, seinen Namen und die Dienststelle nicht zu nennen. Das Interview ist daher anonymisiert.
„Ich möchte meine Identität und den Ort der Schule nicht bekannt geben, da ich sonst Nachteile für mich und vor allem für viele andere tätigen Menschen an meiner Schule befürchte. Ich halte es aber für wichtig, dass die Öffentlichkeit viel mehr über die problematischen Bedingungen an den Schulen erfährt, für die wir nur ein Beispiel sind.
Ich arbeite derzeit im Rahmen zweier Beschäftigungsverhältnisse an einer allgemeinbildenden Schule. Einmal bin ich mit einer geringen Stundenzahl bei der Senatorin für Bildung tarifgerecht beschäftigt. Im Rahmen dieses Arbeitsvertrages stelle ich die Pausenaufsicht sicher und beschäftige die Schülerinnen und Schüler zur Überbrückung unterrichtsfreier Zeiten. Viele der Arbeitsverträge umfassen aber auch hier nur 1,5 Stunden täglich.
Mein zweites Beschäftigungsverhältnis läuft vertraglich über den Schulverein. Es umfasst nur einige Stunden und wird nicht tarifgerecht bezahlt. Zu meinen Aufgaben gehört die Betreuung von Schülerinnen und Schülern schon ab 7.30 Uhr bis zum Unterrichtsbeginn. Außerdem biete ich - mit anderen in prekären Verhältnissen Beschäftigten - Mittagessen und Betreuung bis 15.00 Uhr an.
Zu der Arbeit an dieser Schule bin ich durch ein weit über 10 Jahre andauerndes ehrenamtliches Engagement gekommen. Ich habe Aufgaben zu ungünstigen Arbeitszeiten, mit geringen Stundenanteilen oder unbequeme Tätigkeiten ehrenamtlich übernommen. Erst nach und nach entwickelte sich hieraus bezahlte Tätigkeit - das aber auch erst, nachdem ich eine Bezahlung sowie gesicherte Bedingungen vehement eingefordert habe. Viele andere schaffen dies nicht und geben schon vorher auf.
Mir macht die Arbeit sehr viel Spaß, ich bekomme viel von den Kindern zurück. Die bezahlten Stunden reichen aber längst nicht aus. Häufige Abstimmungsgespräche ergeben viele unbezahlte „Überstunden“. Eigentlich müsste es noch mehr Möglichkeiten zur Abstimmung geben. Ich würde mir wünschen, stärker in die Arbeit der Schule einbezogen zu werden. Obwohl wir über viele Kenntnisse und Eindrücke über die Kinder verfügen, werden diese Informationen wenig genutzt. Hierfür wird die Zeit leider nicht zur Verfügung gestellt bzw. bezahlt.
Bei diesen und auch vielen anderen Tätigkeiten, die über den Schulverein abgewickelt werden, handelt es sich um notwendige, reguläre Aufgaben einer Schule, die den modernen Anforderungen gerecht werden will. Diese Regelaufgaben gehören in die Erledigung und Verantwortung der Schule. Mit den der Schule zur Verfügung stehenden Geldern ist die Fülle der Aufgaben nicht leistbar. Daher wird zu einer geringeren, nicht tarifgerechten Bezahlung über die Schulvereine gegriffen. Durch die Verlagerung von regulären Aufgaben des Schulbetriebs auf die Schulvereine entsteht hier zusätzliche Arbeit. Gleichzeitig sind aber immer weniger Menschen bereit, ehrenamtlich tätig zu sein. Die wenigen Aktiven des Schulvereins müssen daher noch mehr Arbeit leisten.
Vertretungsregelungen in den Nachmittagsstunden gibt es nicht. Das ist für den Verein, der nur auf geringe Mittel zurückgreifen kann, nicht leistbar. Wegen der hohen Motivation und des großen Engagements schleppen sich daher viele Beschäftigte trotz schwerer Erkrankungen zur Arbeit. Das ist nicht gut und kann noch viel gravierendere Auswirkungen haben. Gleichzeitig gibt es kaum Möglichkeiten sich beruflich zu entwickeln, mehr Arbeitszeit zu bekommen oder sich weiter zu qualifizieren.
Ich halte es für dringend erforderlich, die Schulen mit sehr viel mehr Geldmitteln auszustatten. Damit soll dann eine ausreichende Betreuung der Schülerinnen und Schüler, eine tarifgerechte Bezahlung, gesicherte Arbeitsbedingungen und damit die Verringerung prekärer Beschäftigungsverhältnisse erreicht werden.“
Aufgeschrieben von Burckhard Radtke