"Die Uni ist der größte Halsabschneider als Arbeitgeber überhaupt". Diese Aussage in der Dokumentation eines ver.di Forschungsprojektes zu prekärer Beschäftigung an Universitäten und Hochschulen beschreibt exemplarisch viel von dem Frust und der Enttäuschung über die Bedingungen für wissenschaftliche MitarbeiterInnen.
In Ermangelung eines Interviewpartners in unserer Reihe "Prekäre Beschäftigung" befassen wir uns diesmal mit den Ergebnissen dieses Forschungsprojektes.
Wesentliche Grundlage für die Probleme sind die meist befristeten Verträge, die geringe Stundenzahl und das damit verbundene geringe Einkommen sowie die sich daraus ergebenen Zwänge und Abhängigkeiten. Durch viele zusätzlich abgeforderte Arbeitszeiten, die nicht bezahlt werden, verringert sich der durchschnittliche Stundenlohn noch einmal.
Nur sehr selten gibt es wissenschaftliche MitarbeiterInnen, die ihre Situation als zufriedenstellend empfinden und sich über die kurzen vertraglichen Bindungen freuen.
Überwiegend erleben die wissenschaftlichen MitarbeiterInnen ihre unsichere Arbeitssituation als belastend und schwierig. Aussagen überwiegen wie "dass es finanziell immer weniger Sicherheiten gibt", "alle zwei Jahre wieder neu kämpfen zu müssen, um eine Verlängerung zu erreichen", "das belastet sehr und macht mein Leben kaum planbar", "die Arbeit ist völlig unangemessen entlohnt".
Die Zusammenarbeit hat sich durch die eingeschränkten finanziellen Mittel und starken hierarchischen Formen der Arbeitsorganisation grundlegend verändert. Die Arbeitssituation ist viel stärker durch Konkurrenz bestimmt. Interviewäußerungen belegen, dass die Kollegialität leidet: "da muss man eben erstmal an sich denken", "also ich finde, bei uns wird in den letzten Jahren immer mehr dieser Individualismus gepflegt", "man wird auch gezwungen, ein Stück weit so zu werden, weil man sonst einfach untergeht".
Durch die Monopolstellung der Universitäten sind wissenschaftliche MitarbeiterInnen nicht in der Lage, ihre Rechte einzufordern. "Nimm den Job zu den Konditionen oder geh", bekommen BewerberInnen zu hören. Regelmäßig kommt es zu Problemen bei der Bezahlung: "Ich hab im Prinzip seit dem letzten Jahr Ärger mit der Personalabteilung, weil ich falsch eingestuft bin." Nur Durchhaltevermögen und entsprechende Frustrationstoleranz sowie eine hohe Eigeninitiative bei sehr viel Mehrarbeit ermöglicht eine Anerkennung und Förderung.
Durch die starke Einbindung in den Forschungsalltag bringen die wissenschaftlichen MitarbeiterInnen immer schwerer die eigene berufliche Entwicklung voran. Die eigentlich hierfür in den Forschungsaufträgen vorgesehene Zeit wird immer weniger berücksichtigt: "Während meiner Doktorarbeit habe ich viel Zeit darauf verwenden müssen, für meinen Boss, für meinen direkten Vorgesetzten sozusagen, das Mädchen vom Dienst zu machen, unbezahlt, und da ging viel Zeit bei drauf." Die berufliche Weiterentwicklung dann auch noch mit einer Familienplanung zu verbinden, scheint kaum möglich: "Ich hoffe eine Familie zu haben, das habe ich noch nicht aufgegeben, bloß das erfordert natürlich, dass man irgendwann auch einen festen Job hat".
Die starke Hierarchisierung im Wissenschaftsbetrieb wird als sehr belastend und hemmend empfunden: "Bisher haben wir auf Augenhöhe gearbeitet. Ich werde inzwischen total herablassend behandelt. Es gibt eine extrem harte, klare Hierarchie".
Schwierig wird es auch beim Wechsel von HochschullehrerInnen: "Ein neuer Prof strukturiert auch thematisch neu. Der ganze Bereich wird vom neuen Prof aussortiert, also auch ganz knallhart. Mir hat er ins Gesicht gesagt, wir sind nur noch geduldet". Keine gute Form des Umgangs mit MitarbeiterInnen.
Trotz der vielen Probleme überrascht es, dass gerade die wissenschaftlichen MitarbeiterInnen nur zu einem kleinen Teil gewerkschaftlich organisiert sind. Reguläre Stellen, bessere soziale Absicherung, Mentoringprogramme, stärkere Anerkennung und mehr Geld sind Themenfelder, in denen es noch viel zu tun gibt.
Burckhard Radtke