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Polizeikommissar aus Überzeugung

Auszug aus der Rede Nils Peters beim Empfang der Betriebs- und Personalräte in der Oberen Halle des Rathauses am 1. November 2011

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Sehr geehrter Herr Bürgermeister, sehr geehrter Herr Staatsrat, sehr geehrte Gäste!
Mein Name ist Nils Peters. Ich bin 26 Jahre alt und habe als Kind dieser Stadt den Großteil meines Lebens in Bremen verbracht. Ich bin aktives Mitglied im Vorstand der Jugendorganisation der Gewerkschaft der Polizei, der JUNGE GRUPPE-Bremen. Ich habe mich für den Beruf des Polizeibeamten entschieden, um meiner Stadt etwas zurückzugeben. Ich wollte selbst etwas dafür tun, dass meine Familie und meine Freunde sich in Bremen sicher fühlen. Ich wollte den Menschen in dieser Stadt der Freund und Helfer sein, den ich selbst schon immer in jedem Polizeibeamten gesehen habe. Ich wurde Polizeikommissar aus Überzeugung!
Was heißt es eigentlich, Polizeibeamter zu sein? Die Polizei als Exekutivorgan im Staat hat die Aufgabe, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu erhalten. Kurzum, Gefahren für die Bevölkerung abzuwehren und die Strafverfolgung zu gewährleisten. Sinnbildlich sind wir allen Menschen Helfer in der Not, auch in gefährlichen Situationen. Dieses Bild wird durch jede Kollegin und jeden Kollegen nach bestem Wissen und Gewissen ausgefüllt. Dies war der Grund für die meisten von uns, den Beruf des Polizeibeamten zu ergreifen. Denn das Wort Beruf kommt in erster Linie von Berufung!
Doch ist es als Beamter überhaupt noch möglich, den Ansprüchen der Bevölkerung gerecht zu werden, wenn sich die Bedingungen von Jahr zu Jahr verschlechtern?
Ich spreche an dieser Stelle sicherlich für einen Großteil der Beamten, seien es Lehrer, Feuerwehrleute oder Verwaltungsbeamte, wenn ich sage, dass die letzten Jahre kein Zuckerschlecken waren. Im Gegenteil! Es gab Stellenkürzungen in allen Bereichen, Zuwendungen wie Weihnachtsgeld wurden gestrichen, die Ausbildungszahlen blieben auf der Strecke. Nur die Aufgabenfelder, die wurden vergrößert.
Doch damit nicht genug! Wie soll es möglich sein, seine Pflicht zu erfüllen, wenn die Anerkennung des Menschen in Uniform sich mancherorts in puren Hass verwandelt?
Sie haben wahrscheinlich alle die Debatten in den Medien mitverfolgt, zuletzt die neue Dimension der Krawalle in Bremen an der Sielwallkreuzung. Meine Kolleginnen und Kollegen, welche in diesen Einsätzen einer aggressiven Gewaltfront gegenüberstanden, hatten berechtigter Weise Sorge um ihre Gesundheit. Doch scheinbar ist es zur Normalität für unterschiedlichste Bevölkerungsschichten geworden, aufgestauten Frust auf dem Rücken von Polizisten auszutragen, beinahe gnadenlos, als wären wir nicht Mensch, sondern Maschine. Und längst nicht alles erscheint in den Medien, meine Damen und Herren. Glauben Sie mir, es ist zum Beispiel kein schönes Gefühl, wenn ein vollbesetzter Bus frustrierter und betrunkener Fußballfans am Osterdeich wegen eines technischen Defektes umgeladen werden muss. Besonders dann nicht, wenn man diesen Vorgang mit lediglich fünf Kollegen absichert und man plötzlich registriert, dass die Meute ohne ersichtlichen Grund losstürmt, um uns den Deich hinunter zu prügeln. Da helfen auch schwere Körperschutzausstattung und Helm nur bedingt, dass können Sie sich sicher vorstellen.
Dass sich solche Verhaltensmuster durch alle Alterstufen und Gesellschaftsschichten ziehen, macht die Arbeit nicht gerade einfacher. Hinzu kommen die hier nicht weiter ausgeführten Belastungen durch zum Teil traumatische Ereignisse wie schwere Verkehrsunfälle, verwahrloste Familien mit vernachlässigten Kindern, Todesfälle aller Art, blutige Gewalttaten, im Dienst verletzte Kolleginnen und Kollegen und vieles mehr.
Es sei an dieser Stelle noch einmal verdeutlicht: Selbst wenn wir diesen Beruf frei gewählt haben, wir machen nur den Job, der uns von der Gesellschaft aufgetragen wurde. Am Ende der Schicht wollen wir demnach trotzdem, so wie jeder andere Mensch, nur gesund nach Hause zurückkehren!
Aber wie soll man angesichts dieser schlimmen Zustände noch motiviert und zuversichtlich seinen Dienst verrichten, wenn zusätzlich ein Gefühl der Hilflosigkeit aufkommt, da man sich von der Politik allein gelassen fühlen muss?
Die neueste Koalitionsvereinbarung scheint dem Ganzen ja noch die Krone aufzusetzen. Die Lebensarbeitszeit wird erhöht, gravierender Stellenabbau oder Besoldungsabsenkungen sind vorgesehen und Einschnitte im Gesundheitssystem sind anscheinend unabdingbar. Dass sich dann manch Kollegin oder Kollege fragt, wofür er sich diesen Gefahren eigentlich aussetzt, ist angesichts dessen wohl kaum verwunderlich.
Auch wir als Polizeibeamte werden immer häufiger zum Opfer! Die im Sommer vom Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen veröffentlichte Studie zur Gewalt gegen Polizeibeamte belegt eine nicht hinnehmbare Steigerung in den letzten fünf Jahren. Allein die Zahl der schwerer verletzten Kolleginnen und Kollegen, das bedeutet eine mindestens einwöchige Dienstunfähigkeit, stieg laut Studie um 60 %. Da diese Entwicklung von vielen Polizeibeamten schon frühzeitig erkannt wurde, fordert die Gewerkschaft der Polizei bereits seit längerem die konsequentere Ausschöpfung der Rechtsnormen sowie einen neuen Straftatbestand. Es geht um die Einführung eines § 115 im Strafgesetzbuch, mit welchem jeglicher Übergriff gegen Vollstreckungsbeamte als Angriff auf den Staat unter Strafe gestellt wird. Doch dies ist bislang leider nicht erfolgt. Stattdessen wird weiter auf unserem Rücken herumgerechnet und über die Kennzeichnungspflicht von Uniformträgern diskutiert. Die Schutzfrau und der Schutzmann als Freund und Helfer, spielen anscheinend in vielen Köpfen keine echte Rolle mehr. Der Mensch in Uniform wird immer häufiger verkannt!
Ohne den entsprechenden Rückhalt, ohne eine Ausschöpfung der bestehenden Rechtsnormen und ohne Novellierung der Gesetze in bestimmten Aspekten, wird die Welle des zunehmenden Werteverfalls unaufhaltsam weiterrollen. Ich bin noch so erzogen worden, dass ein Polizeibeamter einen gewissen Status inne hält. Nicht im Traum wäre mir eingefallen, offensiv auf den Beamten zuzugehen, ihn anzustarren, lässig vor ihm auf den Boden zu spucken und zu sagen: "Na Alter, alles klar oder was? Habt ihr Bullen eigentlich nix besseres zu tun, als hier rumzustehen? Ach stimmt, ihr dürft euch ja eh nix erlauben!" So mir geschehen, und in ähnlicher Form leider kein Einzelfall gewesen.
Wie soll es anhand solcher nicht abschließbarer Aufzählungen für die Polizei in Zukunft weitergehen? Der Beruf wird eindeutig gefährlicher, ganz gleich in welchem Einsatz. Immer schlechtere Bedingungen, erschwert durch den fehlenden Rückhalt aus Politik und Gesellschaft, begrenzen die Motivation. Dem dringend benötigten Nachwuchs fehlen die Anreize. Die Qualifiziertesten wandern in andere Bundesländer oder gleich in die Wirtschaft ab. Der demografische Wandel ist schon heute in der Polizei angekommen. Auch in dieser Nacht sorgen wieder Streifenwagenbesatzungen mit einem Gesamtalter von weit über 100 Jahren unter den bereits geschilderten Umständen für Ihre Sicherheit.
Denken Sie doch darüber einmal nach …

Nils Peters
Polizei Bremen
JUNGE GRUPPE der
Gewerkschaft der Polizei