Bremen hat viele Stadtteile. Dort müssen etliche politische Entscheidungen umgesetzt und auch nicht wenige Probleme gelöst werden. Politisch zuständig dafür sind die Stadtteil-Beiräte. Für die Umsetzung der Beiratspolitik im Stadtteil ist das jeweilige Ortsamt zuständig. Aber wie funktioniert eigentlich ein Ortsamt?
Peter Mester war über 27 Jahre in der Ortsamtsleitung. Er kennt Hinz und Kunz und ist in der Verwaltung des öffentlichen Dienstes in Bremen vielleicht wie kein anderer zuhause. Peter Mester wird jetzt in den wohlverdienten Ruhestand gehen. Dabei ist er recht "unruhig", er hat schon mal seinen ersten Krimi geschrieben. Heute hat er sich mit Nicoletta Witt getroffen, um für MUMM einige Fragen zu beantworten.
MUMM: Was hat ein Ortsamt mit dem Stadtteilbeirat zu tun?
Peter Mester: Das Ortsamt ist das professionelle Unterstützungssystem für die Beiräte. Beiratsarbeit wird ehrenamtlich geleistet. Das hauptamtliche Team eines Ortsamtes besteht aus wenigen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen. Hier werden die Sitzungen vorbereitet, geleitet und nachbereitet. Die Tagesordnungen werden mit den Gremiensprechern gemeinsam festgelegt, der Sitzungsort samt Technik organisiert und die erforderlichen Behördengäste eingeladen. Leitung und Protokollführung in den Beiratsgremien sind ebenfalls Aufgaben des Ortsamtes. In unserem Ortsamt werden ca. 20 Fachausschüsse koordiniert. Es müssen alle möglichen Unwegsamkeiten für die Beiratsgremien überwunden, Kontakte und Verbindungen hergestellt werden. Das Ortsamt hat grundsätzlich ein umfangreiches Netzwerk zur Verfügung.
MUMM: Wie kommt es zu der engen Beziehung zwischen Ortsamt und Stadtteilbeirat?
Peter Mester: Nun, ganz einfach - Stadtteilbeiräte werden gewählt. Wir Bürgerinnen und Bürger wählen den Beirat immer dann, wenn die Bremische Bürgerschaft gewählt wird. Beiräte verstehen sich als Stadtteilparlamente, auch wenn sie formalrechtlich Verwaltungsausschüsse sind. Die Mitglieder der Beiräte arbeiten ja ehrenamtlich, sie erhalten lediglich eine Aufwandsentschädigung. Ihre Aufgabe: Einmischen, und zwar überall da, wo es um die Belange ihres Stadtteils geht. Da stehen z. B. Themen aus der Schullandschaft oder der Kinderbetreuung, des Straßenverkehrs, der Stadtplanung oder des Umweltschutzes auf der Tagesordnung. In diesen Arbeitsfeldern gibt es für die Beiräte eine ganze Reihe Beteiligungs- und Entscheidungsrechte. Es fehlen Kindergartenplätze? Die Schulturnhalle ist sanierungsbedürftig? Verkehrsströme belasten Wohnstraßen? Ein Quartier benötigt neues Planungsrecht? Die Beiräte können sich direkt an die Behördenvertreter wenden oder auch an die Senatoren, wenn nötig. Dies und vieles andere steht zur Debatte. Dabei wird in aller Regel öffentlich und überwiegend in den frühen Abendstunden getagt, sowohl im Beirat als auch in den Ausschüssen, und nicht selten mit viel Emotionen im Gepäck.
MUMM: Und was wird mit den Tagungsergebnissen gemacht?
Peter Mester: Nun kommen die wichtigsten Aufgaben des Ortsamtes. Nach den Sitzungen geht es an die Durchsetzung der Beiratsbeschlüsse gegenüber den Behörden. Da werden Geduld, Beharrlichkeit und
Durchsetzungsvermögen benötigt. Man muss die Strukturen und Mechanismen der Behörden kennen, und man sollte einen guten Draht zu örtlichen Abgeordneten und der Lokalpresse haben. Beide sind wichtige Unterstützer der Beiratsarbeit. An der Spitze eines Ortsamtes steht der Ortsamtsleiter bzw. die Ortsamtsleiterin. Sie werden mancherorts auch StadteilbürgermeisterIn genannt, viele Bürgerinnen und Bürger empfinden es auch so. Der Gesetzgeber sieht das Ortsamt mit seiner jeweiligen Leitung als Verwaltungsdienststelle und teilt dem Ortsamt somit ein anderes Rollenspiel zu. Man kann ganz einfach sagen: Die Musik macht der Beirat, das Ortsamt besorgt das Notenmaterial. Der Ortsamtsleiter ist also der Geschäftsführer der Beiräte, und das Ortsamt ist die Geschäftsstelle.
MUMM: Wie viele KollegInnen werden durchschnittlich in einem Ortsamt beschäftigt und für wie viele BürgerInnen ist ein Ortsamt zuständig?
Peter Mester: Das variiert von Ortsamt zu Ortsamt. Im Ortsamt West ist für jeden Stadtteil eine Sachbearbeiterin plus eine Stadtteilassistentin zuständig. Dazu kommt eine halbe Kraft für Verwaltung und Haushalt. Übrigens soll künftig die Stelle der Stadtteilassistentin/des Stadtteilassistenten nur noch mit einer halben Stelle pro Stadtteil besetzt werden. Auch hier wird wieder Personal eingespart. Für Gröpelingen ist die Einsparmaßnahme bereits vollzogen. Auf der anderen Seite ist das Ortsamt West für fast 90.000 Bürgerinnen und Bürger zuständig. Damit ist der Bremer Westen mit einer Stadt wie Kaiserslautern, Flensburg oder Frankfurt/Oder vergleichbar!
MUMM: Herr Mester, ich habe jetzt sehr viel über das Ortsamt erfahren und ich bedanke mich für das aufschlussreiche Gespräch. Und vielleicht machen Sie ja demnächst eine Lesung Ihres Krimis in der Bremer Stadtbibliothek? Dann machen wir uns gerne auf den Weg dorthin.
Nicoletta Witt