Mechthild Schrooten ist Professorin für Volkswirtschaftslehre an der Hochschule Bremen. Ihre Arbeitsschwerpunkte liegen in den Bereichen Geld, Banken und Staat - auch im internationalen Kontext. Zudem arbeitet sie in der "Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik" mit.
Mechthild Schrooten veranstaltet für das Aus- und Fortbildungszentrum eine eintägige Fortbildung für MitarbeiterInnen des bremischen öffentlichen Dienstes zum Thema "Die Schulden- und Finanzkrise der EU" (Nr.13-2411), Termin: Mittwoch, 12. März 2014 von 9:00 bis 12:30 Uhr, Ort: EuropaPunktBremen.
[FETTMUMM:] Die Schulden - und Finanzkrise ist in aller Munde, aber was geht es uns denn überhaupt an? Wir im öffentlichen Dienst sind von der internationalen "Schuldenkrise" direkt doch gar nicht betroffen - oder etwa doch?
[FETTMechthild Schrooten:] Es freut mich zu hören, dass Sie sich nicht direkt betroffen fühlen. In der Tat haben wir gelernt, mit der Krise zu leben. Immerhin dauert diese bereits länger als fünf Jahre. Die Ruhe, mit der der Krise begegnet wird, bedeutet aber nicht, dass sie überstanden ist. Vielmehr befinden sich in den Bankbilanzen immer noch erhebliche Risikoposten und die Staatsverschuldung ist kräftig gestiegen. Es ist der Finanzindustrie gelungen, die Politik in die Haftung für ihre risikofreudigen, renditeorientierten Kapitalanlagen zu nehmen.
Jetzt gibt es die Schuldenbremse, die ein weiteres Anwachsen der Staatschulden verhindern soll. Dabei wird nicht gefragt, was die eigentlichen Ursachen der Verschuldung sind. Insbesondere wird nicht nach den Verursachern gesucht.
Vielmehr wird der hohe Schuldenstand der öffentlichen Haushalte häufig als Argument für Kürzungen genommen. Daher kann ich Ihre Eingangsthese von der heilen Welt nicht ganz nachvollziehen. Stellenkürzungen und Nullrunden werden gern als Instrumente zur Haushaltskonsolidierung genutzt. Das haben auch die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes in Bremen bereits deutlich zu spüren gekommen. Der Handlungsspielraum der öffentlichen Haushalte ist durch die internationale Finanzkrise deutlich geschrumpft.
[FETTMUMM:] Wenn wir doch von der Schuldenkrise betroffen sind, müssten wir ja vielleicht "erst vor der eigenen Haustüre kehren" und unsere eigenen Schulden abbauen? Klingt doch vernünftig: Eigene Schulden abbauen, Zinsen sparen und dann vielleicht noch Steuern senken - wirtschaften wie die vielzitierte "schwäbische Hausfrau". Würde uns das helfen - oder können Schulden auch sinnvoll sein?
[FETTMechthild Schrooten:] Schulden sind eine komplexe Angelegenheit. Eigentlich ist es auch der oben zitierten schwäbischen Hausfrau einsichtig, dass Investitionen - übrigens auch in Häuser - sinnvollerweise durch Kredite finanziert werden. Das ist beim Staat nicht anders. Der Staat kann Steuern erheben, oder Kredite aufnehmen. Mehr Instrumente zur Finanzierung seiner Tätigkeit gibt es nicht. Wenn also Schulden zurückgeführt und keine weiteren Kredite aufgenommen werden sollen, dann bedeutet das im Klartext Steuererhöhungen. Wenn der Staat Leistungen erbringen soll, dann muss er das genauso wie Unternehmen finanzieren. Und dazu hat er die beiden Möglichkeiten. Wer also für weniger Schulden ist, ist automatisch für höhere Steuern - oder weniger Staat. Was nicht geht, ist ständig über Mängel in der Bildung, Gesundheitsversorgung, die personelle Ausstattung des öffentlichen Sektors etc. zu klagen und nicht für die Finanzierung genau dieser Dienstleistungen gerade stehen zu wollen. Hier muss es ein klares Umdenken geben. Steuern sind kein Übel, sondern der Preis, den wir dafür bezahlen in einer stabilen Gesellschaft zu leben.
[FETTMUMM:] Und was ist mit der "Schuldenbremse", die uns ja vor Überschuldung und Schuldenkrise bewahren soll - was kann die Schuldenbremse in der aktuellen und bei zukünftigen Finanzkrisen Positives oder Negatives bewirken?
[FETTMechthild Schrooten:] Die Schuldenbremse wirkt darauf hin, dass die Kreditfinanzierung von Staatstätigkeit in Zukunft stark eingeschränkt ist. Sie führt nicht zwangsläufig dazu, dass Schulden in ihrer Höhe abgebaut werden. Durch die Schuldenbremse wird der Staat bei einer zukünftigen Finanzkrise deutlich weniger Möglichkeiten haben, den Banken beizuspringen. Jetzt mag der Gedanke entstehen: gut so. Aber das kann zu kurz gegriffen sein. Wenn wir keine massive staatliche Intervention bei der internationalen Finanzkrise gehabt hätten, stünde Deutschland als Volkswirtschaft heute bestimmt nicht so gut da.
[FETTMUMM:] Manche sagen: "Die Finanzkrise macht die Armen immer ärmer und die Reichen immer reicher." Stimmt das und warum ist das so? Gehören die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes zu den "Gewinnern" oder zu den "Verlierern"?
[FETTMechthild Schrooten:] Wie gesagt, eine Finanzkrise ist ein Verteilungskampf. Dieser findet auf mehreren Ebenen statt. Schuldner gegen Gläubiger und Arm gegen Reich sind zwei wichtige Dimensionen. In einer entwickelten Marktwirtschaft ist es oft so, dass die, die vermögend sind, gern auch Kredite aufnehmen. Werden dann Kredite nicht zurückgezahlt, dann findet hier eine Umverteilung statt. Werden diese Zahlungsausfälle vom Staat geschultert, um den Banken Druck zu nehmen, dann bekommt der Verteilungskampf eine weitere Dimension: Privatsektor gegen Staat. Spätestens hier kommen auch die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes ins Spiel. Denn bei Einkommenserhöhungen, aber auch bei der Neubesetzung von Stellen, werden knappe Kassen gern als Argument für Zurückhaltung ins Feld geführt.
[FETTMUMM:] Was könnten und sollten "wir" anders machen, um die Fortsetzung der Schulden- und Finanzkrise und ihre negativen Auswirkungen für die Beschäftigten zumindest teilweise zu verhindern?
[FETTMechthild Schrooten:] Das Wichtigste ist aus meiner Sicht die Ehrlichkeit und wechselseitige Wertschätzung aller Beteiligten. Die Politik leistet viel und hat in der internationalen Finanzkrise Herausragendes geleistet. Die Beschäftigten im öffentlichen Sektor leisten auch bei klammen Kassen viel. Beides darf durchaus einmal gesagt werden. Gleichzeitig gilt aber auch: Die Schulden sind da, jetzt muss damit umgegangen werden. Hier könnten das Verursacherprinzip ebenso wie das Prinzip der Leistungsfähigkeit Anhaltspunkte bieten, um diese Situation zu meistern. Mit anderen Worten, wenn Geld für die notwendigen Ausgaben fehlt, muss die Einnahmesituation der öffentlichen Haushalte verbessert werden. So würde es wahrscheinlich auch der viel zitierte schwäbische Sachverstand sehen.
Das Interview mit Mechthild Schrooten führte Hajo Kuckero