Seit letztem Jahr haben uns die Pegida-Demonstrationen sehr getroffen. Jeden Montag trafen sich Tausende in Dresden unter dem Motto: "Wir sind das Volk". Die Protestiererinnen und Protestierer haben dem Slogan von 1989 eine andere Bedeutung gegeben: "Volk" nicht mehr im Sinne demokratischer Selbstbestimmung, sondern ethnisch definiert, und das ist eindeutig fremdenfeindlich. Wer sind diese ProtestiererInnen? Nach einer Studie der Technischen Universität Dresden ist der durchschnittliche Pegida- (Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes) Demonstrant 48 Jahre alt, männlich und konfessionslos. Er gehört zur Mittelschicht, ist gut ausgebildet, berufstätig und verdient etwas mehr als der Durchschnitt - kurz um: ein gut situierter deutscher Staatsbürger, der sich um seinen Status sorgt. Mehr als die Hälfte der Befragten gaben als Grund für ihren Protest Unzufriedenheit mit der Politik als Motiv an. Politikverdrossenheit gilt als Nährboden für rechte Ideologien. Das ist ein Nährboden, der gefährlich werden kann und von Rechten genutzt wird. Denn Tatsache ist auch, dass unter den Demonstranten viele Rechtsextreme, Nazis und AfD’er mitmischen und aufhetzen. Wir Gewerkschaften haben uns frühzeitig gegen die Pegida-Demonstrationen in Dresden und in anderen Städten gewandt. Unter dem Deckmantel des Protestes gegen angebliche Islamisierung wird gegen Flüchtlinge im Allgemeinen und Menschen islamischen Glaubens im Besonderen gehetzt. Es werden Ängste, wie die vor dem Verlust der eigenen sozialen Sicherheit oder einer drohenden Arbeitslosigkeit genutzt, um Rassismus zu schüren. Man fühlt sich zurückerinnert an die deutsche Asylpolitik der 90er als die Parole "Das Boot ist voll!" von den GegnerInnen skandiert wurde. Menschen anderer Hautfarbe und/oder einer anderen kulturellen Herkunft mussten damals massiv fürchten, Opfer rassistischer Übergriffe zu werden. Vielen von uns sind die Bilder von Lichtenhagen und anderen Städten immer noch sehr präsent. Anschläge auf Asylbewerberheime gab es viele. Und auch heute wieder ist die Angst vor „Überfremdung“ und vor dem Nichtbekannten sehr groß und die betrifft besonders Muslime. Hinterfragt man das einmal genauer: Wie viele Muslime leben in Deutschland? Bei einer Umfrage in der Bevölkerung gab der überwiegende Teil 19 % an. In Wahrheit sind es nur 6 %. Die Angst vor Islamisierung ist am größten in den Städten, wo die wenigsten Muslime wohnen. So auch in Dresden. Früher war die Ecke bekannt als "Tal der Ahnungslosen", weil seine Bewohner kein westdeutsches Fernsehen empfangen konnten. Heute kann man sich nicht mehr darauf zurückziehen. An mangelnden Informationen kann es also nicht liegen. Auffallend ist jedoch auch: In Sachsen sind die Stimmanteile zu Parteien des äußersten Randes ungewöhnlich hoch. Wir Gewerkschaften treten für die Wahrung und Verwirklichung der Menschenrechte, für die Achtung der Menschenwürde, für ein friedliches Zusammenleben und für eine sozial gerechte Weltordnung ein - so steht es in unseren Satzungen. Manchmal lohnt sich ein erneuter Blick in diese. Unsere Solidarität gilt allen Menschen, die aufgrund von Krieg, Terror, Verfolgung oder Armut ihre Heimat verlassen mussten und als Flüchtlinge oder Asylsuchende nach Deutschland kommen. Sie gilt auch denjenigen Migrantinnen und Migranten, die seit Jahren mit ihrer Arbeit zu Wachstum, Wohlstand und Vielfalt in Deutschland beitragen. Deutschland ist ein reiches Land. Pegida und "ihre Ableger" in anderen Städten haben gezeigt, dass das Schüren von Ängsten um die soziale Sicherheit, um Arbeitslosigkeit und soziale Abstiegsängste dazu führen können, dass das soziale Miteinander in Gefahr gerät. Deshalb ist es jetzt notwendig dort die Probleme anzugehen, wo sie verursacht werden.
Die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger ist dafür, dass Deutschland und auch Bremen weitere Flüchtlinge aufnimmt. Es ist eine humanitäre Verpflichtung und für beide Seiten eine Chance. Die Flüchtlinge von heute, die unsere Gesellschaft kulturell bereichern, können die integrierten Familien und Fachkräfte von morgen sein. Wer diese Chancen für unsere Gesellschaft erkennt, muss die Herausforderung annehmen. Und hier liegt vieles im Argen, sei es bei der Eingliederung in den Arbeitsmarkt. Wir benötigen mehr Sprachkurse, intensive Berufsberatung und eine zügige Anerkennung von Abschlüssen. Und nicht zuletzt eine wirksamere Unterstützung der Kommunen und eine Finanzierung der Unterkünfte aus dem Bundesetat. Unsere Kolleginnen und Kollegen in den Beratungs- und Anlaufstellen tun alles Erdenkliche. Aber auch sie kommen an physische Grenzen. Mehr Wertschätzung ihrer Arbeit und ihres Engagements ist angesagt. Hier muss mehr personelle Unterstützung her.
Lasst uns gemeinsam streiten für eine solidarische Gesellschaft, in der Einkommen und Vermögen gerecht verteilt sind. Lasst uns gemeinsam für soziale Verbesserung, für bessere Arbeits- und Lebensbedingungen einsetzen. Es kommt auf jede und jeden Einzelnen an!
Annette Düring