"Viel Hoffnung auf die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes" setzt die rot/grüne Koalition für die kommende Legislaturperiode der Bremischen Bürgerschaft. Die Beschäftigten sollen Dreh- und Angelpunkt sein bei der auch weiterhin angestrebten Konsolidierung des Haushalts bei gleichzeitiger Verbesserung der Dienstleistungen. "Das gleicht einer Quadratur des Kreises", räumen SPD und Grüne in ihrer Koalitionsvereinbarung allerdings im gleichen Atemzug ein.
Sehr deutlich erkennen die Koalitionsparteien nunmehr an, dass die Kürzungspolitik unweigerlich zu spürbaren Einschnitten bei den öffentlichen Dienstleistungen führen muss. Das ist die eigentliche Neuerung des Koalitionsvertrages für die Jahre 2015 bis 2019. Hinter dieser realistischeren Sicht bleiben jedoch wesentliche Eckpunkte weitgehend unverändert. Der pauschale Personalabbau soll in Höhe von 1,6 % p.a. bei sogenannten bürgernahen Dienstleistungen und 2,6 % bei sogenannten internen Dienstleistungen fortgeführt werden. Dies steht im offensichtlichen Widerspruch zu der Feststellung, dass "weitere Personaleinsparungen immer schwieriger zu erbringen sind". Die "überdurchschnittlichen Standards", die "zügig identifiziert werden" müssten - um sie anschließend abzusenken - klingen nach Wunschdenken. In vielen wichtigen Aufgaben (Brandschutz, Amtsvormundschaft) unterschreitet Bremen bundesweite Standards bereits jetzt deutlich. Dies gilt auch für die Bezahlung beispielsweise in den sozialen Diensten. Hier wäre eine Aufstockung dringend vonnöten.
Ein neues Instrument soll mit sogenannten Personalbewirtschaftungskonten geschaffen werden. Damit sollen den Ressorts trotz der engen Personalabbauvorgaben personalwirtschaftliche Spielräume eingeräumt werden. Sie erhalten die haushaltsrechtliche Möglichkeit, Personalausgaben über das eigentlich vorgesehene Maß hinaus zu finanzieren. So kann zum Beispiel bei kritischen Aufgaben ein überlappender Übergang von ausscheidenden zu nachrückenden Beschäf-tigten erfolgen. Voraussetzung ist allerdings, dass andere (konsumtive oder investive) Haushaltsmittel zur Finanzierung herangezogen werden können. Der Gesamtpersonalrat befürchtet daher, dass zumindest in einigen Ressorts keine ausreichenden Budgets zur Verfügung stehen werden, die in dieses Instrument umgesteuert werden können. Eine zentrale Finanzierung hätte hier mehr Verlässlichkeit geboten, um die Leistungsfähigkeit des öffentlichen Dienstes zu sichern.
Wie die Personalbewirtschaftungskonten in der Praxis genutzt werden, ist bisher schwer abzusehen. Für Personalräte ergibt sich daraus die Aufgabe, aufmerksam zu sein und aktiv dafür zu sorgen, dass hier kein Einfallstor für eine Vielzahl kurzfristiger Beschäftigungsverhältnisse zur Bewältigung von Arbeitsspitzen geöffnet wird.
Immerhin, und das ist eine gute Festlegung, haben sich die Koalitionspartner unmissverständlich zur Dienstvereinbarung Bremer Erklärung für faire Beschäftigungsbedingungen bekannt.
Die Koalition will die Ausbildung im bremischen öffentlichen Dienst auf hohem Niveau fortsetzen und um weitere duale Studiengänge ergänzen. Dies ist dringend notwendig, um auch zukünftig qualifizierten Nachwuchs für die öffentlichen Dienstleistungen Bremens gewinnen zu können. Der Gesamtpersonalrat weist darauf hin, dass dazu mehr Ausbilderinnen und Ausbilder in den Dienststellen nötig sind.
Hinzukommen muss jedoch, dass Bremen als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen wird. Hier zeigt der Koalitionsvertrag ein zwiespältiges Bild: Einerseits ist das ernsthafte Bemühen erkennbar, mit dem vorhandenen Personal verantwortungsvoll umzugehen; daher werden Personalentwicklung und Gesundheitsmanagement eine hohe Bedeutung beigemessen. Besonders erfreulich ist, dass das Gesundheitsmanagement auch in den fachpolitischen Kapiteln Kinder und Bildung sowie Justiz hervorgehoben wird. Der Gesamtpersonalrat erwartet, dass diese Bedeutung gleichermaßen für alle anderen Bereiche des bremischen öffentlichen Dienstes gilt.
Andererseits sieht der Gesamtpersonalrat in dem andauernden Personalabbau bei wachsenden Aufgaben und Anforderungen inzwischen ein ernstzunehmendes Risiko für die Attraktivität des bremischen öffentlichen Dienstes. Hinzu kommen sich verschlechternde Bezahlungsbedingungen, insbesondere für die Beamtinnen und Beamten. Auch die vorliegende Koalitionsvereinbarung vermittelt leider den Eindruck, dass die politisch Verantwortlichen die Besoldung, wie auch die Versorgung, weiterhin als Möglichkeit von Kürzungen sehen.
Gleichzeitig weist der Gesamtpersonalrat auf die Gefahr einer schleichenden Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen hin, wenn weitere Aufgaben auf Dritte verlagert werden. Die Erfahrungen haben gezeigt, dass dies in der Regel zu Lasten der Einkommen und Arbeitsbedingungen der Beschäftigten geht.
Die von ver.di initiierte Forderung nach vollständiger Rekommunalisierung der Müllabfuhr ist von vielen Beschäftigten des öffentlichen Dienstes unterstützt worden. Davon hat sich die Koalition leider weitgehend verabschiedet. Die Koalitionsvereinbarung gibt lediglich vor, dass die zu schließenden Verträge eine zukünftige vollständige Rekommunalisierung nicht ausschließen sollen. Damit verzichtet die Koalition auf große Chancen - für die Umwelt, für gute Arbeit und nicht zuletzt für die Haushaltssanierung. Die Zukunft der Abfallentsorgung soll unter Beteiligung der Interessenvertretungen gestaltet werden. Der Gesamtpersonalrat begrüßt das, auch dass die Koalition generell auf die Einbeziehung der Personalräte bzw. des Gesamtpersonalrats sowie der Gewerkschaften setzt.
Mit der Zuordnung des Bereichs Kinder zum Bildungsressort will die Koalition eine bessere Verzahnung frühkindlicher und schulischer Bildung erreichen. Es gibt allerdings erhebliche Zweifel daran, ob dies durch solch eine organisatorische Maßnahme tatsächlich gefördert wird. Die Aufgabe der Kindertagesstätten darf keinesfalls darauf reduziert werden, "für die Schule fit zu machen". Vielmehr sind die Kinder-
tagesstätten in ihrem Auftrag zu unterstützen, eigenverantwortliche und gemeinschaftsfähige Persönlichkeiten zu erziehen, die Kinder in ihrer individuellen und sozialen Entwicklung zu fördern und auch ihre Familien zu beraten und zu unterstützen. Dabei haben die ErzieherInnen sowohl die geistigen, motorischen und sprachlichen als auch die emotionalen, wahrnehmungsmäßigen und sozialen Fähigkeiten und Fertigkeiten der Kinder im Blick. Es wäre fatal, wenn der engere schulische Bildungsbegriff in den Kindertagesstätten Einzug halten würde. Zudem würden durch die Trennung von Kinder- und Jugendhilfe neue Probleme in der Abstimmung geschaffen. Welche qualitativen Besserungen damit erreicht werden sollen, bleibt völlig unklar.
Die Koalition erkennt die entscheidende Rolle ausreichender und stabiler Einnahmen für die Sanierung Bremens an und will die geringen Handlungsspielräume nutzen, die sich auf kommunaler und Länderebene bieten. So sollen die Grundsteuer erhöht und die Grunderwerbssteuer differenziert gestaltet werden ("Heuschreckensteuer"!). Zugleich soll der neue Senat sich auf Bundesebene für ein gerechteres Steuersystem einsetzen. Auch den Kampf gegen Steuerhinterziehung und aggressive Steuervermeidung und eine höhere Zahl von Betriebsprüfungen hat die Koalition sich vorgenommen. Angesichts der deutlich unter dem eigentlichen Personalbedarf ausgestatteten Finanzämter gibt es aber Zweifel an der Umsetzbarkeit dieser Absichten.
"Viel Hoffnung auf die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes"? Das allein kann es nicht sein.
Wenn die Koalition weiterhin Personal abbaut, muss sie den Bürgerinnen und Bürgern und Beschäftigten reinen Wein einschenken. Sie muss festlegen, welche Aufgaben gleichzeitig wegfallen sollen und die Verantwortung dafür übernehmen - also "Butter bei die Fische".
Burckhard Winsemann