Das Ausbildungsteam rund um Torsten Radeke und Victor Wilden (Fachbereich 3 Mathematik/Informatik, Universität Bremen) hat sich letztes Jahr entschieden, junge Flüchtlinge auf ihrem Weg in die Ausbildung zu begleiten. Die einjährige Einstiegsqualifizierung hat der junge Dion B.* erfolgreich geschafft. Nun beginnt seine Ausbildung.
*Name geändert. Name ist der Redaktion bekannt.
MUMM: Wie kam es dazu, dass ihr euch für das Ausbildungsprogramm gemeldet habt?
Torsten Radeke: Als wir die Anfrage zur Teilnahme erhielten, haben wir nicht lange überlegt und zugestimmt. Durch die vorgeschaltete einjährige Einstiegsqualifizierung gibt es genug Zeit, um abschätzen zu können, ob die nachgeschaltete Ausbildung erfolgreich abgeschlossen werden kann. Somit gab es auch für uns überhaupt kein Risiko. Wir haben rückblickend viel Zeit und Mühe investiert, bis der zusätzliche Arbeitsplatz entstanden ist. Unsere Techniker-Arbeitsplätze sind relativ aufwendig und kostspielig, so dass in vielen Gesprächen die Finanzierung geregelt werden musste. Das hat Zeit und Nerven gekostet, aber es war die Mühe wert.
MUMM: Wie ist die Einstiegsqualifizierung gelaufen?
Torsten Radeke: Besser als gedacht. Wir wussten, dass wir einen größeren Aufwand haben werden als bei unseren regulären Auszubildenden. Doch in vielen Bereichen wurden wir überrascht. Zum Beispiel wird im Ausbildungsberuf "FachinformatikerIn" sehr viel Wert auf den schriftlichen Ausdruck gelegt. Das konnte Dion gleich von Anfang an sehr gut. Ihm fällt es schwerer, vor anderen eine Präsentation zu halten. Da fehlen ihm oft die Worte. Hier sind wir als Ausbilder und Ausbilderinnen gefragt, denn zu seiner Abschlussprüfung muss auch eine Präsentation über das Prüfungsthema gehalten werden. Da gibt es für ihn später vor dem Prüfungsausschuss keinen extra Bonus.
MUMM: Gibt es spezielle Herausforderungen? Seid ihr an Grenzen gestoßen?
Victor Wilden: Die Herausforderung ist, Dion so weit fit zu machen, dass er seine Ausbildung mit einer guten Abschlussprüfung beendet. Wir sehen einen kontinuierlichen Fortschritt. Fachlich wissen wir, dass er es schaffen wird. Die mündliche Ausdrucksweise werden wir durch Routine verbessern. Er soll deshalb in seiner gesamten Ausbildungszeit immer wieder Präsentationen ausarbeiten und vor Publikum halten. An Grenzen sind wir noch nicht gestoßen. Dion hat sich sehr schnell in die Gruppe der anderen Auszubildenden integriert. Auch der Zusammenhalt unter den Auszubildenden ist vorbildlich. Wir können wirklich sagen, dass hier schon eine volle Integration im Team stattgefunden hat.
Apropos: Die Universität Bremen hat zum 01.09.2015 Zuwachs bekommen: 38 neue Auszubildende in diversen Ausbildungsberufen starten in ihr Berufsleben. Davon kommen sechs - wie Dion - aus der Einstiegsqualifizierung.
MUMM: Es geht jetzt in die Ausbildung. Wie seht ihr den weiteren Verlauf?
Torsten Radeke: Absolut positiv und gelassen. Wir kennen Dion durch das Jahr während der Einstiegsqualifizierung sehr genau, wissen was er kann und wo er noch Nachholbedarf hat. Da wir jetzt das erste Lehrjahr mit ihm quasi wiederholen, wird er sich auch mehr auf seine Aussprache konzentrieren können. Die gute Teamarbeit der Auszubildenden untereinander hilft auch sehr. Gibt es zum Beispiel in der Berufsschule Lehrkräfte, die schnell sprechen oder kompliziert erklären, unterstützen sich alle, so dass es nicht zu Problemen oder der Isolation eines Einzelnen kommt.
MUMM: Das Ausbildungsprogramm geht weiter. Seid ihr wieder dabei?
Torsten Radeke: Wir alle machen diese Ausbildung neben der Arbeit noch "ON TOP". Somit sind unsere Ressourcen begrenzt. Erst müssen wir Erfahrungen sammeln, um beurteilen zu können, ob bei einem zweiten Auszubildenden aus dem Ausbildungsprogramm noch genug Zeit für den ersten zur Verfügung steht. Für uns ist es wichtiger, einen Auszubildenden sehr gut, als mehrere nur mittelmäßig betreuen zu können. Deshalb setzen wir noch ein Jahr aus und sind ab 2017 wieder dabei.
MUMM: Hat aus eurer Sicht das Ausbildungsprogramm Zukunft?
Victor Wilden: Ja, auf jeden Fall. Es macht uns allen an der Universität sehr viel Spaß, mit diesen jungen Menschen zu arbeiten. Sie sind unheimlich motiviert und wissen zu schätzen, was wir hier für sie tun. Durch die Erfolge bei der Einstiegsqualifizierung sind wir uns einig, dass das Ausbildungsprogramm eine gute Sache ist und Zukunft hat.
MUMM: Ich danke euch für das Interview. Vielleicht habt ihr damit weitere Ausbilder und Ausbilderinnen ermutigt, auch beim Programm "Zukunftschance Ausbildung" mitzumachen.
Das Interview mit den Ausbildern Torsten Radeke und Victor Wilden führte Ivonne Weinhold