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Refugees welcome!

Der bremische öffentliche Dienst packt's an

Containerdorf
Bremisches Vorzeigeprojekt: Containerdorf für Flüchtlinge in Bremen-Walle

Millionen Menschen aus Syrien, Afghanistan, und vielen anderen Ländern sind auf der Flucht vor Krieg, Gewalt und Hunger. Immer mehr von ihnen kommen nach Deutschland, auch nach Bremen. Für 2015 rechnete die Senatorin für Soziales kurz vor Redaktionsschluss mit bis zu 13.000 Zugängen, davon fast 3.000 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Für 2016 wird mit ähnlich hohen Zahlen gerechnet.
Nach zwei kleineren Programmen im Frühjahr und Sommer hat der Senat im September ein drittes Sofortprogramm zur Aufnahme und Integration von Flüchtlingen beschlossen. Damit wurden rund 300 Stellen in den am stärksten durch zusätzliche Aufgaben belasteten Bereichen geschaffen.

300 neue Stellen

Da die Stellen kurzfristig besetzt werden müssen und bei Weitem nicht ausreichend Auszubildende nachrücken, wurden die Ausschreibungen auch für Quereinsteiger, BewerberInnen ohne einschlägige Ausbildung in der öffentlichen Verwaltung, geöffnet. Für den Gesamtpersonalrat war dabei wichtig, dass auch diese neuen KollegInnen eine langfristige Perspektive im bremischen öffentlichen Dienst erhalten. Dies geschieht einerseits durch den Abschluss unbefristeter Arbeitsverträge, andererseits durch umfangreiche Qualifizierungsmaßnahmen, die die Quereinsteiger begleitend zu ihrer Arbeit durchlaufen werden. So sollen sie mittelfristig in die Lage versetzt werden, auch andere Aufgaben zu übernehmen, wenn sich die Flüchtlingsituation wieder entspannt. An Arbeit wird es auch dann ganz sicher nicht mangeln. In den nächsten Jahren werden ohnehin viele Kolleginnen und Kollegen aus Altersgründen ausscheiden.

Senatorin für Soziales

Der Löwenanteil der Aufgaben liegt im Verantwortungsbereich der Senatorin für Soziales. Direkt bei der senatorischen Dienststelle angebunden ist unter anderem die Zentrale Aufnahmestelle (ZASt). Dort werden die Geflüchteten registriert, und es wird ihnen eine Unterkunft zugewiesen. Vor zwei Jahren, als die Zahl der Flüchtlinge anzusteigen begann, kam die ZASt mit zwei Beschäftigten aus. Heute sind es neun, die zudem noch organisatorisch von MitabeiterInnen freier Träger unterstützt werden. Vorgesehen sind für die ZASt jetzt bis zu 35 Stellen. Nachdem die ZASt bereits in ein größeres Gebäude umziehen musste, werden jetzt Container für die zusätzlichen Arbeitsplätze aufgestellt.
Hoher Arbeitsaufwand ergibt sich bei der Sozialsenatorin außerdem in den Bereichen, die sich, in Zusammenarbeit mit freien Trägern, um die Bereitstellung von Unterkünften kümmern. Das gilt für die vielen Übergangswohnheime, ganz besonders aber für die vielen Einrichtungen, in denen unbegleitete minderjährige Flüchtlinge untergebracht und pädagogisch betreut werden.

Amt für Soziale Dienste

Die längerfristigen Unterstützungsaufgaben liegen beim Amt für Soziale Dienste (AfSD). Hier ist besonders die Betreuung der vielen unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge hervorzuheben. Der Richtwert von maximal 50 Vormundschaften je Amtsvormund kann nur durch massive Neueinstellungen gewährleistet werden. Große zusätzliche Bedarfe gibt es im AfSD außerdem bei der wirtschaftlichen Jugendhilfe und der zentralen Fachstelle Wohnen. Das starke Wachstum des AfSD wird auch organisatorische Veränderungen nach sich ziehen. An erster Stelle ist die Anmietung des ehemaligen Fruchthofs am Breitenweg zu nennen, der jetzt zügig hergerichtet werden soll. Vieles ist aber noch ungeklärt. "Wir befinden uns in einem Sichtflug bei Nebel", beschreibt Marcus Gehlmann, Personalratsvorsitzender beim AfSD, die Situation.

Stadtamt

Im Aufgabenbereich des Innenressorts werden beim Stadtamt 41 zusätzliche Stellen geschaffen. Nach Einschätzung des Landesvorsitzenden der Gewerkschaft der Polizei (GdP) Jochen Kopelke sollte dies grundsätzlich ausreichen, um die zusätzlichen Aufgaben zu bewältigen. Probleme könnten sich allerdings dadurch ergeben, dass für die neuen KollegInnen nicht ausreichend Platz zur Verfügung steht. Deshalb ist jetzt unter anderem vorgesehen, große Teile des Standesamtes in ein größeres Gebäude zu verlegen. "Der Versuch der Amtsleitung, dies am Personalrat vorbei durchzusetzen, ist dabei nicht hilfreich, gerade weil schnell eine Lösung gefunden werden muss", so Jochen Kopelke.

Polizei Bremen

Rolf Oehmke am Rednerpult
Sichtlich bewegt zeigt Rolf Oehmke von der Polizei Bremen auf der Personalräteversammlung ein Bild, das ein syrisches Flüchtlingskind gemalt hat. Darauf sind links die Kriegseindrücke aus der Heimat und rechts die Ankunft in Deuschland zu sehen.

Bei der Polizei werden ebenfalls Stellen für besondere Aufgaben im Zusammenhang mit der Flüchtlingssituation eingerichtet. Die Personalzielzahl wird dafür allerdings nicht erhöht. Das heißt, an anderer Stelle müssen Löcher aufgerissen oder können nicht gestopft werden. Diese halbherzige Entscheidung in diesem Punkt wird aus Sicht von Jochen Kopelke auch dadurch nicht erfreulicher, dass komplett ausgebildete Polizisten am Arbeitsmarkt ohnehin nicht zur Verfügung stehen.
Ein ausgesprochenes Ärgernis sind aus Sicht der GdP die §§ 14 und 95 des Aufenthaltsgesetzes, mit denen die unerlaubte Einreise bzw. der unerlaubte Aufenthalt als Straftatbestände qualifiziert werden. Dadurch werde bei der Polizei großer Ermittlungs- und Verwaltungsaufwand hervorgerufen, obwohl nahezu alle Verfahren letztlich eingestellt werden. Hier liegt ganz offensichtlich eine große Produktivitätsreserve für die Arbeit der Polizei.

Schulen

Für den Bereich Bildung sind mit dem dritten Sofortprogramm rund 70 zusätzliche Stellen finanziert worden. Zusammen mit den beiden vorigen Programmen sind damit rund 180 Vorkurse zum Spracherwerb abgesichert. Bei rund 4000 zusätzlichen SchülerInnen (1600 im allgemeinbildenden und 2400 im berufsbildenden Bereich) wären aber mindestens 250 erforderlich. Dafür würden rund 200 Vollzeitstellen gebraucht. Auf mittlere Sicht ist mit einem weiter wachsenden Bedarf zu rechnen. Im Schuljahr 2016/17 wird ein großer Teil der Kinder und Jugendlichen in Regelklassen unterrichtet werden. Gleichzeitig bleibt aber ein hoher Bedarf an Vorkursen bestehen.
Zudem muss in diesem Zusammenhang daran erinnert werden, dass im Koalitionsvertrag vorgesehen ist, 200 zusätzliche LehrerInnen an die Tafel zu bringen. Diese Stellen sind bisher noch nicht geschaffen worden.
Zusätzliche Stellen allein genügen allerdings nicht, man muss sie auch besetzen. Das erweist sich selbst im normalen Umfang als immer schwieriger. "Bremen hat sich mit einer niedrigeren Besoldung und höheren Unterrichtsverpflichtung in eine schlechte Wettbewerbsposition gebracht", meint Arno Armgort, Vorsitzender des Personalrats Schulen. Nachteilig wirke sich auch aus, dass ReferendarInnen in Bremen - anders als in anderen Bundesländern - keine klare Perspektive für eine dauerhafte Tätigkeit gegeben wird.

KiTa Bremen

Weitgehend ausgespart wurden in den bisherigen Programmen die Kindertagesstätten. Kurzfristig bestehen aus Platzgründen kaum Möglichkeiten, zusätzliche Gruppen einzurichten, weder bei KiTa Bremen noch bei freien Trägern. Neubau- oder Erweiterungsplanungen müssen sich danach richten, wo im Stadtgebiet zusätzlicher Wohnraum geschaffen wird.
Hinzu kommt, so Grit Wetjen, Personalratsvorsitzende bei KiTa Bremen, dass im derzeitigen Prozess des Übergangs des Bereichs Kinder in das Bildungsressort noch wenig Klarheit über die zukünftige Verteilung von Kompetenzen und Verantwortlichkeiten herrsche. Dies lähme so manche Initiative.
So gebe es eine ganze Reihe von Kolleginnen und Kollegen, die an Fortbildungsmaßnahmen mit dem Ziel einer besseren Integration der Flüchtlingskinder interessiert sind. Aber entsprechende Angebote lassen auf sich warten.

Es gibt noch viel zu tun

Mit viel Motivation und hohem Arbeitseinsatz haben die Kolleginnen und Kollegen bisher einfach angepackt und die vielen zusätzlichen Aufgaben durch die Zuwanderung mit bearbeitet. Aber das geht so nicht auf Dauer. Auch das zusätzliche Personal wird wohl nicht überall ausreichen. Die organisatorische Umsetzung verläuft nicht überall reibungslos. Es gibt noch viel zu tun. Der bremische öffentliche Dienst muss an seinen Aufgaben wachsen.

Burkhard Winsemann