Die gute Nachricht: Bremen nimmt deutlich mehr Geld in die Hand, um die anstehenden Herausforderungen zu bewältigen. Die schlechte Nachricht: Reichen wird es immer noch nicht.
Kurz vor der Sommerpause hat die Bremische Bürgerschaft die Haushalte für die Jahre 2016 und 2017 beschlossen. Um dies zu erreichen - und damit dem Senat nicht nochmals einen Vorwand für die Verschiebung anstehender Beförderungen zu geben - war es notwendig, die Beratungen in den Deputationen und im Haushalts- und Finanzausschuss besonders straff zu organisieren. Innerhalb von nur gut drei Wochen nach der formellen Zuleitung der Entwürfe durch den Senat wurden die Entwürfe bearbeitet, die in der gedruckten Fassung immerhin einen knappen halben Meter dick ist.
Je Haushaltsjahr stehen nunmehr maximal rund 5,2 Mrd. Euro zur Verfügung; gegenüber den tatsächlichen Ausgaben von 2015 ist das ein Zuwachs von etwa 8 Prozent. Der Kreditfinanzierungsbedarf der bremischen Haushalte geht dabei erheblich über das in der Sanierungsvereinbarung mit dem Bund festgelegte Volumen hinaus. Bremen beruft sich dabei auf die Regelung, dass in Ausnahmesituationen auch eine Überschreitung der Schuldengrenze möglich ist. Eine solche Ausnahme sieht der Senat durch die Zuwanderung von Tausenden Geflüchteten als gegeben an.
Skeptisch beäugt wird dies vom Stabilitätsrat, dem Bund-/Ländergremium, das die Umsetzung der sogenannten Schuldenbremse überwacht. Dieser hat den Senat kurz vor der Verabschiedung der Haushalte zu zusätzlichen Maßnahmen zum Defizitabbau aufgefordert. Im Hintergrund steht dabei die Drohung, die jährliche Schuldendiensthilfe von 300 Mio. Euro zukünftig wegfallen zu lassen. Deshalb muss befürchtet werden, dass die bisher schon für Beschäftigte wie Bürger_innen vielfach angespannte Situation sich in einigen Bereichen noch weiter zuspitzen wird.
Letztlich entschieden wird über die nächste Rate der Sanierungshilfe jedoch erst 2017, nach Abschluss des Haushaltsjahres. Dann wird erkennbar sein, wie weit sich Bremen tatsächlich vom ursprünglich geplanten Sanierungspfad entfernt hat.
Da der tatsächliche Bedarf für flüchtlingsbezogene Mehrausgaben von der weiteren Entwicklung der Flüchtlingssituation abhängt und somit schwer vorherzusehen ist, bedürfen die dafür eingeplanten Mittel von jährlich rund 300 Mio. Euro einer gesonderten Freigabe durch den Haushalts- und Finanzausschuss. Ohne diese flüchtlingsbezogenen Mehrausgaben würden die Haushalte demnach die vorgesehenen Verschuldungsgrenzen einhalten.
In seiner Stellungnahme zu den Haushaltsentwürfen hat der Gesamtpersonalrat deutlich gemacht, dass Bremen vor zwei großen sozialen Herausforderungen steht: Zum einen geht es um die Entwicklung einer wirksamen Strategie gegen den hohen Anteil an von Armut bedrohten und betroffenen Menschen. Zum anderen steht Bremen vor der Aufgabe, Tausende Menschen, die vor Krieg, Gewalt und Elend geflohen sind, in unsere Stadtgesellschaften zu integrieren.
Deshalb ist es richtig, aber nicht ausreichend, zusätzliches Geld für die Integration der Geflüchteten bereitzustellen. Eine ganz entscheidende Voraussetzung für das Gelingen der vor uns liegenden Integrationsaufgabe ist, dass alle in Bremen lebenden Menschen auf einen funktionierenden Sozialstaat, auf hohe Qualität der öffentlichen Dienstleistungen und auf zuverlässige öffentliche Unterstützung in schwierigen Situationen vertrauen können.
Dieser umfassend verstandenen Integrationsaufgabe werden die Haushalte nicht gerecht. Bremen hat seine öffentlichen Dienstleistungen bereits in einem Ausmaß zurückgefahren, das deren Funktionsfähigkeit vielfach in Frage stellt. Es fehlt nicht nur an Kapazitäten zur Bewältigung der derzeitigen Belastungsspitze, es fehlt auch an der Basis. Bremen braucht mehr Personal und eine bessere finanzielle Ausstattung in allen Bereichen des öffentlichen Dienstes, um ein Mindestmaß an Verlässlichkeit und Qualität sicherzustellen und so alle Bremer_innen mitzunehmen.
Auf Unverständnis stößt beim Gesamtpersonalrat deshalb, dass auch zukünftig pauschale Personalkürzungsquoten (PEP) gelten sollen. Damit würden die im Rahmen der Sofortprogramme zur Integration der Geflüchteten geschaffenen Stellen innerhalb der nächsten drei Jahre wieder einkassiert. Dabei hat ja gerade die Entwicklung im letzten Jahr offengelegt, dass PEP die Handlungsfähigkeit von Land und Kommune stark beeinträchtigt. Der große Aufwand und die Schwierigkeiten, zusätzliches Personal zu gewinnen, hätten geringer ausfallen können, wenn nicht zuvor bis zum Anschlag oder auch darunter gekürzt worden wäre.
Burkhard Winsemann