Hans Koschnick ist im April 2016 im Alter von 87 Jahren verstorben. Viele kennen ihn als beeindruckende bremische Persönlichkeit. Er war von 1965 bis 1987 Präsident des Senats und Bürgermeister in Bremen. Edmund Mevissen, Vorsitzender des Gesamtpersonalrats Bremen von 2000 bis 2008, erinnert sich im Gespräch an persönliche Begegnungen mit Hans Koschnick und an Seiten von ihm, die in den Nachrufen seiner Meinung nach zu kurz gekommen sind.
MUMM: Was verbindest du mit Hans Koschnick?
Edmund Mevissen: Meine ersten Begegnungen mit Hans Koschnick fanden in meinem Elternhaus statt. Da war ich noch ein Kind. Seit dieser Zeit hat er mich immer Eddi genannt. (Das darf sonst keiner. Anmerkung der Red.) Meine Mutter war damals Senatorin für Soziales, Jugend und Sport und Hans Koschnick Leiter des Sportamts. Er und seine Frau Christine waren mit meiner Familie befreundet. Ich habe dann erst wieder Kontakt zu Hans Koschnick gefunden, als ich im Gesamtpersonalrat war. Das war ab 1994, nach seiner Zeit im Senat. In einer Zeit, als die Mitbestimmung angegriffen und Privatisierung vorangetrieben wurde. Da hat Hans Koschnick den Gesamtpersonalrat sehr unterstützt. Bei vielen Gelegenheiten hat er uns beraten und öffentlichkeitswirksam Position für die Mitbestimmung bezogen. Ich bin überzeugt, dass es seinem Ansehen und Einfluss in der SPD mit zu verdanken ist, dass das Bremische Personalvertretungsgesetz damals erhalten blieb. Sein Wort hatte Gewicht. Er war eine wichtige moralische und politische Instanz.
MUMM: Erzähl ein bisschen mehr von Hans Koschnick!
Edmund Mevissen: Ich habe Hans Koschnick als einen ungeheuer lebhaften und kenntnisreichen Menschen erlebt. Seine scharfsinnigen Gedanken haben mich immer wieder beeindruckt. Und was für uns im Gesamtpersonalrat sehr wichtig war: Er war ein überzeugter Gewerkschafter. Als junger Abgeordneter in der Bremischen Bürgerschaft hat er bei der Entstehung des Personalvertretungsgesetzes viele Rechte für die Beschäftigten durchgeboxt. Die gleichberechtigte Mitbestimmung und damit die innerbetriebliche Demokratie war für ihn außerordentlich wichtig. In seiner Amtszeit wurde 1974 die organisatorische Mitbestimmung in das Gesetz aufgenommen.
MUMM: Du legst besonderen Wert auf seine Rolle bei der Mitbestimmung - warum ist dir das so wichtig?
Edmund Mevissen: Das Bremische Personalvertretungsgesetz schafft eine gleichberechtigte Mitbestimmung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im öffentlichen Dienst. Das bedeutet, dass die Dienststellenleitung nicht einfach machen kann, was sie will. Sie muss sich mit den Bedenken und Positionen des Personalrats, der ja für die Beschäftigten spricht, auseinandersetzen. Hans
Koschnick hat das so schön "verantwortbare Gemeinsamkeit" genannt. Ihm war natürlich klar, dass das nicht immer konfliktfrei geht. Er hielt aber auch nichts von "Gemeinsamkeiten nur bei Sonnenschein". Sie müssen sich bewähren, wenn es blitzt und donnert, sagte er.
MUMM: Und welche Haltung hatte Hans Koschnick zur Rolle des Staates?
Edmund Mevissen: Er war ein überzeugter Fürsprecher eines starken und handlungsfähigen Sozialstaats. Ein Ausgleich zwischen Arm und Reich war aus seiner Sicht unumgänglich, um Konflikte in der Gesellschaft zu vermeiden. Das waren ganz wichtige Lehren, die er aus der Weimarer Republik für sich gezogen hatte. Und er hat sich deutlich gegen Privatisierungen öffentlicher Dienstleistungen ausgesprochen und gegen den Einsatz privater Beratungsfirmen.
MUMM: Hans Koschnick war ein hoch angesehener Politiker in Bremen. Was war aus deiner Sicht sein besonderes Anliegen?
Edmund Mevissen: Generell war es ihm immer wichtig, für die Schwächeren in der Gesellschaft einzutreten. Er hat sich als Anwalt und Fürsprecher der Arbeiterschaft verstanden. Deshalb hat es ihn auch bis ins Mark getroffen, dass der Untergang der AG Weser 1983 nicht verhindert werden konnte und er deswegen von den Arbeitervertretern angegriffen wurde.
MUMM: Du hast einige öffentliche Veranstaltungen zur Mitbestimmung mit ihm gemeinsam durchgeführt. Was hat dich besonders beeindruckt?
Edmund Mevissen: Bei der Festveranstaltung zum 50. Geburtstag des Bremischen Personalvertretungsgesetzes 2007 wurde ein Film von unserem GPR-Kollegen Peter Garrelmann gezeigt. Darin wurde angeprangert, dass damals ein großer Teil der Auszubildenden im bremischen öffentlichen Dienst ohne Tarif und ohne Mitbestimmung in eine Ausbildungsgesellschaft abgeschoben wurde. Hans Koschnick hat diese Probleme unmittelbar in seiner Rede aufgegriffen und sich dazu positioniert. Er hat uns und damit den Auszubildenden den Rücken gestärkt. Frau Linnert, damals noch relativ neue Bürgermeisterin und Finanzsenatorin, versprach daraufhin diese Probleme zu beheben. Ich freue mich, dass das dann ja auch später erfolgt ist.
MUMM: Wie bleibt dir Hans Koschnick im Gedächtnis?
Edmund Mevissen: Peter Garrelmann und ich haben Hans Koschnick und seine Frau auch nach unserer Zeit im Gesamtpersonalrat manchmal getroffen. Es war ein Vergnügen und anregend mit ihm zu diskutieren. Es war immer ein kleiner "Pfiff" in dem, was er sagte.
Hans Koschnick war für mich immer lebensnah und lebensbejahend und dabei glaubwürdig in seinem Engagement für die "kleinen Leute" und für eine durch und durch demokratische Gesellschaft.
Das Interview führte
Doris Hülsmeier