Bildung ist ein maßgeblicher Bereich, in dem sich das Schicksal von Menschen entscheidet, die bisher nach Deutschland gekommen sind und noch kommen werden. Wie sich auch immer die Flüchtlingsbewegungen nach Europa entwickeln, eines ist schon jetzt klar: die meisten werden lange bleiben - natürlich auch in Bremen. Damit nachhaltige Integration gelingen kann, muss mehr Zeit und Raum für das Lernen in Kitas und in allgemein- und berufsbildenden Schulen organisiert werden, so die zentrale Forderung der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW).
Die Schulen in Bremen stehen vor großen Veränderungen. Es wurden an vielen Lernorten Flüchtlingsklassen, sogenannte Vorkurse, eingerichtet. Auch im gerade begonnenen Schuljahr müssen weitere dazukommen, damit alle jungen Menschen - ohne große Wartezeit - schnell einen Platz bekommen. Und nach dem Vorkurs soll in reguläre Klassen integriert werden. "Da rollt eine große Welle auf das Regelsystem zu", sagt Abteilungsleiter Michael Huesmann von der Bildungsbehörde. Damit man sich vorstellen kann, wie groß die Welle sein wird, präzisiert er seine Aussage: "Durch die neuen Schüler_innen in den Vorkursen werden bis zum Jahr 2020 bis zu 110 neue Klassen in den verschiedenen Schulformen eingerichtet werden müssen. Allein dafür entstehen Personalkosten von mindestens 13 Mio. Euro." Viele der Flüchtlinge haben auch nach dem Besuch des Vorkurses erheblichen Sprachförderbedarf. Unbestritten ist die Feststellung von zusätzlichem sonderpädagogischen Förderbedarf. Dafür wird Personal benötigt, was wiederum gefunden und finanziert werden muss.
Der Verein Fluchtraum Bremen merkt an, dass es "momentan viel zu wenig Ausbildungs- und Beschulungsangebote für Flüchtlinge gibt. Immer wieder zeigt sich, dass der unsichere Aufenthaltsstatus (Kettenduldungen) ein großes Hindernis für die gelungene Integration der Jugendlichen ist." Auch die weit mehr als 100 Vorkurs-Schüler_innen der Schule an der Theodor-Billroth-Straße (TBS) - ein Standort der Allgemeinen Berufsschule (ABS) im Bremer Süden - werden nach spätestens einem Jahr im Regelschulsystem Deutsch lernen. Aber bis es soweit ist, lernen die vorwiegend männlichen TBS-Schüler die ersten Bausteine einer für sie neuen Sprache.
Die Beschulung bringt alle Beteiligten an ihre Belastungsgrenze. "Bei uns sind sehr viele Jugendliche aus vielen verschiedenen Ländern unter sich. Das macht die Integration schwierig, Konflikte zwischen den jungen Menschen sind jederzeit möglich", sagt Bettina Horn-Udeze. Die Lehrerin koordiniert die Vorkursklassen, und sie hat damit alle Hände voll zu tun. Die meisten ihrer Schüler_innen kommen aus Guinea, Gambia, Somalia, aber auch aus Syrien und Afghanistan. Ihre Deutschkenntnisse sind unterschiedlich, einige sind Analphabeten. Aber durch die Vielzahl an Vorkursschüler_innen ergeben sich auch Vorteile. Horn-Udeze: "Wir können die Klassen einigermaßen homogen einteilen und kommen so schneller zu ersten Lernerfolgen. Fast alle anderen Schulen, die nur einen oder zwei Vorkurse haben, können das nicht."
Die Auswahl und Verteilung der Schüler_innen kritisiert sie: "Die zentrale Zuweisung der jungen Flüchtlinge durch die Behörde ist keine gute Lösung. Eine vorgelagerte pädagogische Beratung ist dringend erforderlich." Sie vermisst ein tragfähiges Konzept bei der Flüchtlingsbeschulung. Ein weiteres Problem ist die teilweise bis zu acht Monate lange Wartezeit auf einen Schulplatz. "Die Wartezeit für viele zukünftige Schüler_innen, die schnell und gerne Deutsch lernen wollen, ist zu lang. Es gibt keine prompte Einschulung in Vorkurse und Sprachklassen", sagt Ümit Zerdali, Leiter für interkulturelle Bildung an der ABS. Damit die Zeit bis zur Einschulung etwas kürzer wird, versucht die Bildungsbehörde mit Hausbeschulungen in Notunterkünften das Problem zu lindern. An sechs Standorten in Bremen ist das derzeit der Fall. Dass ein schneller Schulbesuch enorme Vorteile für die Flüchtlinge bringt, ist unbestritten. Schule und Unterricht bringt oft wohltuende Ablenkung, Herausforderung und bietet einen Ort der Begegnung und sinnvolle Perspektive in einem.
Karsten Krüger