Lange bevor ich - als Beschäftigter im bremischen öffentlichen Dienst - in Kontakt mit den Mitbestimmungsregelungen kam, war mir das Bremische Personalvertretungsgesetz ein Begriff, wenn auch in einem etwas verfremdeten Zusammenhang. Hans Koschnick, der als junger Abgeordneter der Bremischen Bürgerschaft in den 1950er Jahren ganz wesentlich zur Entstehung dieses Gesetzeswerkes beigetragen hatte, besaß völlig zutreffend den Ruf eines Schnellredners. Um dieses in einer charmanten Überspitzung zu veranschaulichen, wurde über ihn kolportiert, dass er als einziger in der Lage sei, die Wörter "Bremisches Personalvertretungsgesetz" in einer Silbe auszusprechen.
Wenn die Redegeschwindigkeit des langjährigen Bremer Bürgermeisters und Präsidenten des Senats ausgerechnet an dem Bremischen Personalvertretungsgesetz festgemacht wurde, musste es sich wohl um ein bedeutsames Gesetz handeln. Das war jedenfalls meine erste Überlegung. Später als Auszubildender, als Mitarbeiter der bremischen Justizverwaltung und als Angehöriger des Verwaltungsgerichts Bremen gab es spezielle Gründe, sich mit diesem Gesetz zu beschäftigen, die mit meiner jeweiligen beruflichen Situation zusammenhingen.
Die Perspektive, aus der Mitbestimmungsregelungen im öffentlichen Dienst betrachtet werden, verändert sich naturgemäß je nach der Stellung und den Aufgaben, die eine Person im System der Exekutive oder Judikative wahrnimmt. Das war bei mir nicht anders. Bevor das Präsidium des Verwaltungsgerichts Bremen beschloss, mir den Vorsitz in der Personalvertretungskammer zu übertragen, war ich als Beschäftigter und später als Teil der Dienststellenleitung mit dem Personalvertretungsgesetz konfrontiert. Meine Wahrnehmung dieses Gesetzes verschob sich dann mit der Übernahme der gerichtlichen Tätigkeit in Personalvertretungssachen.
Richter sind dem Gesetz unterworfen. Aber diese Bindung führt nicht stets zu Ergebnissen, die mit gewissermaßen mathematischer Präzision vorhersehbar sind. Entscheidungen sind das Ergebnis von Überlegungen. Dazu gehört die Feststellung des relevanten Sachverhalts genauso wie die Auslegung der anzuwendenden Vorschriften. Und bei der Normauslegung spielt das Vorverständnis des Richters dort, wo es Auslegungsspielräume gibt, selbstverständlich eine Rolle. Beim Personalvertretungsgesetz stellte sich mir die Frage der generellen Herangehensweise. Sehe ich Mitbestimmung im öffentlichen Dienst als ein Grundrecht der Beschäftigten an, dessen Verwirklichung dem Menschenwürdegebot und dem Sozialstaatsprinzip entspricht, die aber auch als Element einer modernen kooperativen Verwaltungsorganisation angesehen werden kann? Oder ist Mitbestimmung im öffentlichen Dienst als Fremdkörper zu betrachten, der dem Prinzip der demokratischen Legitimation widerspricht, weil die Befugnisse der Personalräte anders als die Ausübung staatlicher Kompetenzen durch gewählte Regierungen nicht auf eine Volkswahl zurückgeführt werden können? Meine Grundeinstellung als Richter war eher mitbestimmungsfreundlich.
Während der Zeit meiner Tätigkeit in der Fachkammer für Personalvertretungssachen landeten die unterschiedlichsten Fälle auf meinem Schreibtisch. Häufig war die Kardinalfrage strittig, ob eine bestimmte Maßnahme des Dienststellenleiters überhaupt der Mitbestimmung nach dem Bremischen Personalvertretungsgesetz unterlag. Hier ging es um die Auslotung der Grenzen der Mitbestimmung. Nicht selten waren aber auch solche Verfahren, in denen Personalrat und Dienststellenleiter vor Gericht mit äußerster Verbissenheit um Belanglosigkeiten stritten. Mein Bestreben war, solche Konflikte nicht mit einer streitigen Entscheidung abzuschließen, sondern vergleichsweise einem pragmatischen Ergebnis zuzuführen. Schließlich ging es vor Gericht auch um Streitigkeiten der Beschäftigten untereinander wie etwa bei der Anfechtung von Personalratswahlen.
In der Fachkammer wirken neben dem berufsrichterlichen Vorsitzenden vier ehrenamtliche Richter mit, je zur Hälfte von den Gewerkschaften und den Verwaltungen vorgeschlagen. Ich habe diese Zusammensetzung der Richterbank in personalvertretungsrechtlichen Gerichtsverfahren sehr geschätzt. Die Laienrichter erwiesen sich immer als sachkundig und verwaltungserfahren. Die Diskussion und der Austausch mit ihnen förderte bei allen Beratungen den Erkenntnisprozess. Das war im Ergebnis ein Gewinn für alle Beteiligten.
Ingo Kramer