In allen Redaktionen bei Radio Bremen arbeiten angestellte und freie Journalistinnen und Journalisten. Für den Sender hat die Beschäftigung freier Mitarbeitender Vorteile: Er muss nur so viele Personen beschäftigen und bezahlen wie gerade gebraucht werden. Auch für Freie kann Flexibilität reizvoll sein, weil sie - anders als Festangestellte - nicht nur an eine Redaktion gebunden sind. Allerdings macht den meisten Freien zu schaffen, dass ihr monatliches Einkommen schwankt. Arbeitnehmerähnliche Freie - das sind freie Journalist_innen, die mehr als die Hälfte ihrer Einkünfte bei einem Sender erzielen - sind zwar per Tarifvertrag vor hohen Honorareinbußen geschützt, sie erhalten Krankengeld und bezahlten Urlaub, aber eine gesicherte Perspektive haben sie nicht.
Bei Radio Bremen machen arbeitnehmerähnliche Freie mittlerweile die Hälfte der Belegschaft aus. Betrachtet man nur die Redaktionen, stehen rund 90 angestellten Journalist_innen rund 220 Freie gegenüber.
In der täglichen Arbeit ist nicht erkennbar, wer angestellt und wer frei arbeitet. In einer Redaktion gelten für beide die gleichen Anforderungen. Ihre Aufgaben sind dieselben, und der Arbeitsplatz ist es oft auch. So folgt zum Beispiel am Abend eine feste Redakteurin auf einen freien Redakteur der Tagschicht.
Das Wahlrecht zum Personalrat gilt für Freie und Feste gleichermaßen: Beide wählen den Personalrat und können sich selbst zur Wahl stellen. Aber mitbestimmen konnte der Personalrat bis vor kurzem nur über Maßnahmen, die Angestellte betreffen. Bei Angelegenheiten von Freien blieb ihm die Mitbestimmung verwehrt. In einem Personalrat, der mehrheitlich aus Freien besteht (zur Zeit
7 Freie, 2 Angestellte) wirkte das besonders absurd.
Der Personalrat von Radio Bremen beschloss, das Problem auf juristischem Weg zu klären.
Er forderte zunächst den Intendanten von Radio Bremen auf, neue freie Mitarbeiter_innen für eine längere Zeit künftig nur nach vorausgegangenem Mitbestimmungsverfahren zu beschäftigen. Damit wollte der Personalrat notfalls verhindern können, dass durch immer mehr Freie der ökonomische Druck auf Einzelne wächst. Außerdem sollte der Intendant anerkennen, dass die Mitbestimmungsrechte des Bremischen Personalvertretungsgesetzes auch für Angelegenheiten arbeitnehmerähnlicher Freier gelten. Beides lehnte der Intendant ab.
Im Juni 2013 reichte der Personalrat Klage beim Verwaltungsgericht Bremen ein: Die Weiterbeschäftigung neuer freier Mitarbeitender und Dienstpläne, die ausschließlich für Freie gelten, sollen der Mitbestimmung unterliegen, da arbeitnehmerähnliche Freie nach dem Radio-Bremen-Gesetz Beschäftigte im Sinne des Personalvertretungsgesetzes sind. Im März 2014 wies das Gericht beide Anträge ab.
Der Personalrat legte Berufung ein. Einen freien Mitarbeitenden weiter zu beschäftigen sei eine Maßnahme, weil darüber nach einem vorgeschriebenen senderinternen Verfahren entschieden werde. Im Dezember 2015 hob das Oberverwaltungsgericht Bremen (OVG) den Beschluss der Vorinstanz auf und gab dem Personalrat Recht. Im Einzelnen begründete das Gericht seinen Beschluss so: Die Weiterbeschäftigung eines Freien kommt einer Einstellung gleich, da Radio Bremen eine Entscheidung trifft, ob ein Freier arbeitnehmerähnlich werden soll oder nicht. Außerdem hielt das OVG fest: Wenn die Freien den Personalrat lediglich wählen dürfen, ohne durch ihn vertreten zu werden, klaffen Legitimation und Kompetenz auseinander, und das kann die Wirksamkeit der Interessenvertretung beeinträchtigen. Und: Mitbestimmung über Angelegenheiten von Freien trägt deren Schutzbedürfnis Rechnung.
Der Intendant hielt die Rundfunkfreiheit nach Artikel 5 des Grundgesetzes dagegen. Insbesondere die Mitbestimmung in personellen Angelegenheiten würde praktisch seine Entscheidungsfreiheit in Programmfragen einschränken. Doch bereits das Verwaltungsgericht hatte auf das Radio-Bremen-Gesetz hingewiesen. Das gibt in Programmfragen dem Intendanten das letzte Wort, der sich sogar über einen Beschluss der Einigungsstelle hinwegsetzen kann. Auch das OVG sieht damit die Rundfunkfreiheit gewahrt.
Radio Bremen legte Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht ein, das jedoch im Dezember 2016 den OVG-Beschluss bestätigte. Die Richter stellten außerdem fest, dass die Regelungen des Bremischen Personalvertretungsgesetzes auch auf arbeitnehmerähnliche Personen anwendbar sind, und zwar ohne Einschränkung. Zwar wandte sich Radio Bremen noch an das Bundesverfassungsgericht, doch das nahm die Klage gar nicht erst an.
Damit hat der Personalrat von Radio Bremen endgültig erreicht, dass die Mitbestimmung nach dem Bremischen Personalvertretungsgesetzes auch für die arbeitnehmerähnlichen Freien gilt und er die gesamte Belegschaft vertritt.
Gaby Schuylenburg