Kaum jemand hätte das für möglich gehalten: Bremen liegt noch immer innerhalb des mit dem Bund vereinbarten Rahmens für die Kreditaufnahme und schickt sich mit den Doppelhaushalten 2018/19 an, auch die letzte Etappe des Sanierungspfades scheinbar "erfolgreich" zu bewältigen.
Möglich war dies nur durch ungewöhnlich günstige Rahmenbedingungen: kontinuierlich steigende Steuereinnahmen einerseits, niedrige Zinsen in Folge der Euro-Krise andererseits. Die Entwicklung dieser beiden Posten hat weitaus mehr zum Defizitabbau beigetragen, als Personalabbau und Knausern bei konsumtiven und investiven Ausgaben es je vermocht hätten.
Für die kommenden Haushaltsjahre hat die sogenannte PEP-Quote so gut wie ausgedient. Zwar werden die pauschalen Personalkürzungen noch einmal mit 1,5 % pro Jahr fortgeschrieben, doch sind weitere große Bereiche (Ex-Stadtamt, Amt für Soziale Dienste) davon ausgenommen. Nur noch kleine Teile der Verwaltung müssen nach dieser Regel Personal abbauen, dort trifft es allerdings schwer. Jährlich sollen damit 34 Vollzeitstellen gekürzt werden.
Insgesamt plant der Senat, das Tempo des Personalabbaus im Vergleich zu den letzten Jahren noch deutlich zu verschärfen - nur eben nicht mit der PEP-Quote. Vielmehr sollen über die nächsten vier Jahre die zusätzlichen Stellen abgebaut werden, die im Rahmen der 2015 und 2016 geschnürten Pakete für die Aufnahme und Integration geflüchteter Menschen geschaffen worden waren. Pro Jahr entspricht das einem Volumen von weiteren 86 Vollzeitstellen. Zudem sollen noch temporäre Personalmittel im Umfang von ca. 40 Stellen gestrichen werden. Der Gesamtpersonalrat hatte seinerzeit begrüßt, dass diese Stellen unbefristet besetzt wurden. Jetzt geht es darum, die neu eingestellten Kolleg_innen auf freiwerdenden Stellen in den dezentralen Haushalten zu verstetigen.
Rein rechnerisch ist aber klar, dass für große Teile der Verwaltung externe Wiederbesetzungen in nächster Zeit die Ausnahme sein werden. Besonders die Dienststellen, die durch die Zuwanderung stark belastet wurden, müssen erneut mit viel weniger Personal auskommen.
Nach den im Februar vom Senat beschlossenen Haushaltseckwerten sollte das Personalvolumen des Kernhaushalts im Jahr 2019 etwa auf den bekanntlich damals schon nicht ausreichenden Stand von 2014 zurückgeführt werden. Gleichzeitig soll die Stadt kräftig wachsen. In einzelnen Bereichen, namentlich Polizei und Schulen, erkennt der Senat wenigstens dem Grunde nach an, dass damit auch mehr Arbeit verbunden sein könnte und stellt mehr Personalmittel zur Verfügung. Im Umkehrschluss müssen die nicht gesondert bedachten Bereiche mit deutlich weniger Beschäftigten Leistungen für deutlich mehr Bürger_innen erbringen. Ein Schelm, wer denkt, dies könnte ohne Krisensituationen abgehen. Auch die Nachbesserungen, die der Senat im Juni beschlossen hat, werden das nicht grundlegend ändern. Immerhin zeigen die Mittel, die zusätzlich unter anderem für den Sozialbereich, das Bürgeramt sowie nochmals für Schulen und Kitas lockergemacht werden, dass der Senat vor den Problemen der Stadt nicht die Augen verschließt und sogar zu Steuererhöhungen (Gewerbesteuer) bereit ist.
Den Eigenbetrieben, Anstalten öffentlichen Rechts, Hochschulen und anderen Sonderhaushalten geht es auch nicht besser: Von ihnen erwartet der Senat, dass sie durch Personalabbau die Mehrausgaben erwirtschaften, die durch Tarif- und Besoldungserhöhungen anfallen. Viel zusätzliches Geld wird insbesondere für den quantitativen Ausbau im KiTa-Bereich zur Umsetzung der Rechtsansprüche bereitgestellt. Das drängendste Problem dürfte hier allerdings darin bestehen, das benötigte Fachpersonal zu finden.
Ob Bremen somit tatsächlich auf dem Weg einer erfolgreichen Sanierung ist, muss weiterhin mit großen Fragezeichen versehen werden. Vielleicht werden Historiker in späteren Jahrzehnten die güns-tigen gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen verfluchen. Sie verstellen nämlich die Sicht darauf, dass die Schuldenbremse ein völlig ungeeignetes Instrument zur Sicherung tragfähiger öffentlicher Haushalte ist. Es ist wie mit dem Esel und der vor seinem Kopf festgebundenen Möhre - dem Esel wird immerzu vorgegaukelt, er müsse nur noch ein kleines bisschen schneller rennen, um die Möhre zu kriegen, bis er dann erschöpft tot umfällt.
Am Ende des Prozesses steht Bremen möglicherweise mit dem geforderten strukturell ausgeglichenen Haushalt und sogar zusätzlichen Spielräumen nach der erfolgreichen Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen da. Aber eben auch mit öffentlichen Dienstleis-tungen und einer öffentlichen Infrastruktur am Rande des Zusammenbruchs, die gar nicht so leicht wiederaufzubauen sind.
Burkhard Winsemann