Was kommt da auf die Schulen im Land Bremen in diesem Schuljahr und nach der Bundestagswahl zu? Neben den nicht gelösten Problemen aus dem vergangenen Schuljahr wie der Inklusion oder der häufig nicht ausreichenden Qualifikation vieler Lehrkräfte müssen sich die Bildungspolitiker Lösungen für einen Trend finden, der in den nächsten acht Jahren unumkehrbar sein wird: Steigende Schülerzahlen. Damit verschärft sich auch in den Städten Bremen und Bremerhaven das schon vorhandene Problem Lehrermangel.
Bildungsforscher erwarten ab sofort für die kommenden Jahren einen "Schüler-Boom": Im Jahr 2025 werden ihren Berechnungen zufolge 8,3 Millionen Kinder und Jugendliche in Deutschland in allgemeinbildende Schulen gehen. Das seien 300 000 mehr als 2015 - und mehr als eine Million mehr, als die Kultusministerkonferenz (KMK) in ihrer aktuellsten Prognose aus dem Jahr 2013 annimmt. Diese Entwicklungen treffe das Schulsystem weitgehend unvorbereitet, so die Expertenmeinung. Die Studie birgt reichlich politische Brisanz.
Auch in Bremen war die Kinder- und Bildungsbehörde lange von niedrigeren Schülerzahlen ausgegangen – obwohl bereits erkennbar gewesen ist, dass wieder mehr Kinder geboren werden. Das hatten die Opposition in der Bürgerschaft wiederholt kritisiert. Auch wegen der Geflüchteten steige die Zahl der Schüler an. Die Bremer Bildungssenatorin wiegelt dennoch ab: "Steigende Schülerzahlen sind in Bremen nichts Neues", so Claudia Bogedan. Die gebe es bereits seit Jahren. Und der Senat habe sich darauf eingestellt. Allerdings hat die Behörde am Rembertiring schon zwei Mal ihre Prognosen nach oben korrigieren müssen, zuletzt im April. "Wir haben den Familiennachzug der Flüchtlinge unterschätzt", gibt die Senatorin zu.
Um alle schulpflichtigen Kinder und Jugendliche jetzt und in Zukunft unterrichten zu können, musste nachgebessert werden. Der Bildungsetat soll um einen dreistelligen Millionenbetrag steigen. "Der neue Haushaltsansatz ist immer noch weit von dem entfernt, was wir für notwendig erachten", betont GEW-Landesvorstandssprecher Christian Gloede mit dem Verweis auf die immer noch im Vergleich zu Hamburg und Berlin deutlich niedrigeren Bildungsausgaben (2000 Euro pro Schülerin und Schüler). "Aber er geht in der Tat deutlich über das hinaus, was nach dem ersten Eckwertebeschluss im Februar zu befürchten war." Es gebe zwar noch kein Aufatmen, aber vielleicht reicht es für ein kurzes Durchatmen.
Im neuen Schuljahr sind zusätzliche Grundschulklassen versprochen. Außerdem plane man den Bau sechs weiterer Grundschulen, so Bogedan. Inzwischen hat in Bremen ein Bauprogramm für zusätzliche Kitas und Schulen begonnen. Die Behörde bringt Kitas und Schulen in speziellen Containern unter. Nach Druck vom Personalrat Schulen und der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) werden in Bremen jetzt endlich mehr Referendarinnen und Referendare ausgebildet: Statt bisher 450 jetzt für beiden kommenden Jahre 550. Allerdings ist die Bleibequote der Nachwuchslehrkräfte vor allem in Bremerhaven nicht sehr hoch. Jede bzw. jeder Zweite verlässt die Seestadt nach dem Referendariat.
Bedeutsam im Rahmen der Pädagogenausbildung sowohl für Lehrkräfte als auch für sozialpädagogische Fachkräfte sei die Ausweitung von Studienplätzen an der Uni für Lehrkräfte und Erzieherinnen und Erzieher, die Wiedereinführung mindestens der Studiengänge Sport und Behindertenpädagogik, die schnellstmögliche Einrichtung des "Lehramtsmasters für Inklusion an Oberschule und Gymnasium". Hinzu käme, dass auch die Bezahlung angehoben werden müsse. Vergleichbare Großstädte zahlten bereits jetzt übertariflich, um noch Fachpersonal zu bekommen, so Gloede.
Angesichts der Probleme für das Bildungssystem machte sich die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack für eine Bund-Länder-Offensive für die Schulen in Deutschland stark. "Unser Schulsystem ist drastisch unterfinanziert", sagte sie. "Vielerorts bröckelt der Putz von den Wänden, es fehlen Lehrkräfte, Sozialarbeiter und Schulpsychologen." Die Länder allein seien "mit der Finanzierung eines zukunftsfesten Schulsystems überfordert". Das sogenannte Kooperationsverbot müsse daher "für das gesamte Bildungswesen fallen", so Hannack. Der Bund darf den Ländern nur in Ausnahmefällen finanziell helfen. Befürworter wollen damit die Bildungsautonomie der Länder sichern.
Karsten Krüger