Irene Purschke: Einen großen Erfolg des personalrätlichen und gewerkschaftlichen Engagements im AfSD gab es im November 2016. Berichte doch mal.
Mark Birnstiel: Dieser Erfolg hat natürlich eine Vorgeschichte. Es waren viele Hintergrundgespräche mit Verantwortungsträgern in Politik und Verwaltung nötig. Die Betriebsgruppe des AfSD musste remobilisiert und neu strukturiert werden, um öffentlichkeitswirksam in Erscheinung treten zu können. Die Kolleginnen und Kollegen mussten gewonnen werden, für ihre Interessen zu kämpfen. Es gab in der Folge dann zwei Bürgerschaftsdebatten, in denen es inhaltlich um das Jugendamt ging. Diese wurden durch die Betriebsgruppe mit bis zu 130 Kolleg_innen aufmerksam verfolgt.
Irene: Was wurde konkret erreicht?
Mark: Eine Höhergruppierung von Kerntätigkeiten im Jugendamt von TV-L 9 auf TV-L 10. Der Unterschied macht bis zu 500 Euro Brutto aus. Somit konnte für die Kernbereiche des Jugendamtes Bremen das bundesweit übliche Gehalt erwirkt werden. Die Differenz, die vorher bestand, erklärt sich daraus, dass das Jugendamt Bremen Tarifzugehörigkeit im TV-L findet, während die Mehrheit der anderweitigen Jugendämter im TVöD zugehörig ist. Im TVöD gibt es eine spezielle Entgeltordnung für den Sozial- und Erziehungsdienst, die viele pädagogische Tätigkeitsfelder ökonomisch besserstellt. Kurzum, die sich daraus ergebende Gehaltslücke konnte geschlossen werden!
Irene: Klasse! Herzlichen Glückwunsch für den Erfolg. Seit Kurzem gibt es eine bundesweite Debatte über die Fallzahlen in Jugendämtern. Habt ihr als Betriebsgruppe das Thema aufgegriffen?
Mark: Wir betreiben dieses Thema länger, konkret seit eineinhalb Jahren. Auch hier gab es eine intensive Lobbyarbeit der Betriebsgruppe im politischen Raum. Es ist uns gelungen, politisch Verantwortliche für das Thema zu sensibilisieren. Pressearbeit war auch nötig. Am 29. Mai 2018 wurde, wiederum im Beisein vieler Kolleg_innen, in der Bürgerschaft der Beschluss gefasst, sich mit der Thematik Personalausstattung/Fallzahlen in der Sozialdeputation zu befassen. Es werden Gesprächsformate im Sozialressort mit Beteiligung der Interessenvertretungen aufgelegt. Ich bin guter Dinge, dass wir in naher Zukunft eine bessere Personalausstattung im Casemanagement des Jugendamtes erleben werden. Unsere Forderung ist 28 Fälle pro Vollzeitstelle. Diese Forderung, wird von ver.di auch auf Bundesebene vertreten.
Irene: Mark, was verstehst du unter "Fall"?
Mark: Das werde ich sicher hier nicht verraten. Weil ich davon ausgehe, in naher Zukunft in intensive Gespräche diesbezüglich mit der Arbeitgeberseite zu geraten. Sorry. Generell lässt sich aber sagen, dass über eine Fallzahldebatte das gewerkschaftliche Ziel einer Wechselwirkung zwischen Arbeitsmenge und zugestandener Personalausstattung hergestellt werden könnte. Es bedarf nun einer Klärung der philosophischen Frage: Wann ist der Fall ein Fall? Oder: Welche Arbeitsinhalte bewerten wir wie? Darauf freue ich mich!
Irene: Wie meinst du das?
Mark: Weil darüber konkrete Verbesserungen in der Arbeitswirklichkeit meiner Kolleg_innen erreicht werden können und es ein gelungenes Beispiel dafür ist, dass es sich lohnt, sich für seine Interessen zu bewegen. Als Solidargemeinschaften, die solche Kämpfe strategisch und planerisch begleiten, sind gewerkschaftliche Betriebsgruppen unverzichtbar. Ich persönlich unterscheide sehr trennscharf zwischen personalrätlichem und gewerkschaftlichem Engagement. Ich kam zu der Erkenntnis, dass auch noch so engagierte und kompetente Personalräte es leider nicht allein vermögen, in wichtigen Kernfragen Durchbrüche für die jeweilige Belegschaft zu erreichen. Hierzu bedarf es einer kämpferischen, gewerkschaftlichen Komponente. Konkret: Starke Betriebsgruppenarbeit in den Dienststellen und Betrieben! Diese kann natürlich durch gute Personalratsarbeit flankiert werden. Beides ergänzt sich im Idealfalle hervorragend!
Irene: Hast du für uns noch eine abschließende Botschaft?
Mark: Mischt euch ein! Die Gewerkschaft sind wir! Jammern oder nörgeln hat noch niemanden nach vorne gebracht! Engagement verändert. Engagement bedarf Engagierter.