Unsere Steuererklärungen werden von Programmen geprüft. Arbeit wird durch Programme erledigt. In sozialen Medien diskutieren Programme mit und sind nicht als solche erkennbar. Internetkonzerne wie Google legen riesige personalisierte Datenbestände über unsere Aktivitäten, Vorlieben und Abneigungen an und nutzen sie für personalisierte Werbung. Wir alle merken, ob im Privaten oder auf der Arbeit, dass sich durch die Digitalisierung vieles komplett verändert. Der Staat ist in doppelter Hinsicht gefordert, darauf Antworten zu liefern - als Gestalter des Sozial- und Rechtsstaats und Verantwortlicher für das Gemeinwohl auf der einen Seite und als Arbeitgeber und Nutzer des digitalen Wandels auf der anderen Seite.
Brauchen wir also eine neue Staatskunst? Zwei Tage haben 160 Menschen aus Bund, Ländern, Kommunen, Politik, Wissenschaft und Gewerkschaft intensiv Antworten gesucht, darunter viele Beschäftigte aus dem bremischen öffentlichen Dienst. Zwei Tage war unser Bremer Rathaus erfüllt von neuen Erkenntnissen, kritischen Diskussionen und konzentriertem Zuhören.
Höhepunkt der Tagung aus Sicht der Beschäftigten war der Beitrag des Vorsitzenden der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, Frank Bsirske. Für das Glück der Menschen brauchen wir nach seiner Auffassung tatsächlich eine neue Kunst der Staatsführung, die Chancen für ein gutes Leben und für gute Arbeit für alle eröffnet. Nicht die Digitalisierung ist das Problem, so Bsirske, sondern was die Menschen daraus machen. Er forderte einen Digitalisierungstarifvertrag von den öffentlichen Arbeitgebern. Die digitalen Umwälzungen können nur Akzeptanz finden, wenn sie dem Allgemeinwohl dienen und gute, bessere Arbeit für möglichst viele Menschen entsteht, betonte er. Das kann nur als gemeinsame Gestaltungsaufgabe gelingen, so sein Plädoyer.
Ein Tarifvertrag garantiert "verbindliche Leitplanken" zum Schutz der Beschäftigten: Ein Recht auf Qualifizierung und die ausreichende Finanzierung von Qualifizierungsmodellen ist sicherzustellen.
Die Beschäftigten müssen von den Chancen der Digitalisierung, das heißt Verfügung über Zeit und mehr Autonomie, profitieren. Belastungen durch höhere Flexibilisierungen sind auszuschließen.
Die Arbeitsteilung von Mensch und Maschine muss zugunsten des Menschen gestaltet werden. Insbesondere selbstlernende und -steuernde Programme sind auf der Grundlage ethischer, sozialer und demokratischer Standards zu entwickeln. Persönlichkeitsrechte müssen gewahrt und Überwachung ausgeschlossen werden.
In einem Digitalisierungstarifvertrag für die Beschäftigten von Bund, Ländern und Gemeinden sind zudem die Beteiligung der Beschäftigten bei der Gestaltung der digitalen Arbeit und eine starke ebenen- und ressort-übergreifende Mitbestimmung der Personalräte zu sichern. Es geht um gute Zukunftsaussichten für die Beschäftigten, das sichert gleichzeitig die Attraktivität des öffentlichen Dienstes als Arbeitgeber. Die Digitalisierungsgewinne sollen durch Arbeitszeitverkürzung auch den Beschäftigten zugutekommen.
Der Vorschlag für einen Digitalisierungstarifvertrag fand eine breite positive Resonanz bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Auch die Reaktionen der Vertreterinnen und Vertreter von Bund, Ländern und Kommunen fielen zustimmend aus. Henning Lühr, bremischer Finanzstaatsrat, der die Tagung in seiner Funktion als Vorsitzender des IT-Planungsrats initiiert hatte, erhielt dafür viel Applaus. Er unterstrich, dass neue Strukturen erforderlich sind für Mitbestimmung und Beteiligung und sprach sich für ein umfassendes Qualifizierungsprojekt des IT-Planungsrats aus.
Frank Bsirske hat mit seinem Entwurf für einen Digitalisierungstarifvertrag einen bedeutenden Beitrag geleistet. Ein Aufschlag ist jetzt gemacht. Jetzt müssen wir Beschäftigte mit unserer Gewerkschaft dranbleiben und unsere Zukunft mitgestalten.
Doris Hülsmeier