Mit der Koalitionsvereinbarung stellen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und die Linke den sozialen Zusammenhalt in Bremen und Bremerhaven, gute Bildung für alle, den Klimaschutz und ein Leben in Sicherheit in den Mittelpunkt ihrer Politik der kommenden vier Jahre. Eine ressort-übergreifende Verantwortlichkeit soll zukünftig für eine wirksame Bekämpfung von Armut sorgen. Die rot-grün-rote Koalition stellt gleichzeitig klar, dass der Finanzrahmen nur eine schrittweise Umsetzung der umfangreichen und ehrgeizigen Maßnahmen möglich machen wird.
Nachfolgend versuchen wir, einen Überblick über die für die Arbeit im öffentlichen Dienst wichtigsten Aspekte des Koalitionsvertrags zu geben.
Burkhard Winsemann
Die Koalition strebt an, die Verwaltung weiter bürgerfreundlich zu modernisieren und Dienstleistungen entsprechend der Vorgaben des Onlinezugangsgesetzes bis 2023 auch online anzubieten. Online Angebote sollen dabei eine Erweiterung darstellen, bisherige Angebote mit persönlichem Kontakt sollen bestehen bleiben. Die Sicherheit der Bürgerinnen- und Bürgerdaten und ein wirksamer Datenschutz sollen dabei selbstverständlich umgesetzt werden.
Die Koalition hat auch die Weiterentwicklung und Absicherung der Arbeitsverhältnisse im öffentlichen Dienst unter den Bedingungen der Digitalisierung in den Blick genommen. Bremen will sich auf Seiten der öffentlichen Arbeitgeber stark machen für einen Digitalisierungs- und Zukunftstarifvertrag. Hinzukommt, dass Bremen eine federführende Rolle bei einem vom IT-Planungsrat organisierten Forschungs- und Entwicklungsprojekt zur Arbeitsgestaltung und Qualifizierung bei der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltungen einnimmt.
Die Koalition bekennt sich zur Bremer Erklärung für faire Beschäftigungsbedingungen und will auch den Verzicht auf sachgrundlose Befristungen im öffentlichen Dienst fortführen. Doch auch über den öffentlichen Dienst hinaus soll gute Arbeit ein wichtiger Schwerpunkt des Regierungshandelns sein. Dabei geht es insbesondere um die Geltung tariflicher Bedingungen, die sowohl durch die Nutzung der Allgemeinverbindlichkeitserklärung auf Landesebene als auch durch eine Erweiterung des Geltungsbereichs des Tariftreue- und Vergabegesetzes.
Über weitere Anpassungen des kürzlich auf 11,13 € erhöhten Landesmindestlohn soll zukünftig jährlich statt bisher alle 2 Jahre entschieden werden.
Öffentliche Unternehmen wie die Bremer Lagerhausgesellschaft sollen zukünftig verstärkt in die Pflicht genommen werden, um Leiharbeit und andere Formen prekärer Beschäftigung zu begrenzen.
Den auf Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern lastenden Druck, auch unfaire Arbeitsbedingungen zu akzeptieren, will die Koalition abbauen. Auf Bundesebene will sie sich darum für die Überwindung von "Hartz IV" einsetzen. Bis dahin sollen bestehende Ermessensspielräume, etwa bei der Entscheidung über Sanktionen, im Interesse der Leistungsempfänger ausgeübt werden.
Die Koalition erkennt ausdrücklich die Notwendigkeit an, die Attraktivität des öffentlichen Dienstes zu steigern, um Fachkräfte gewinnen und halten zu können. Dazu soll unter anderem verstärkte Ausbildung sowie die Konzeption neuer dualer Studien- und Ausbildungsgänge beitragen. Auch für Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger soll es bessere Zugangsmöglichkeiten und Eingangsqualifizierungen geben. Aufstiegschancen sollen verbessert und neue Karrierewege entwickelt werden.
Gesundes Arbeiten soll durch aktuellen Standards entsprechend ausgestattete Arbeitsplätze und eine verstärkte zentrale Unterstützung des Gesundheitsmanagements voran-gebracht werden. Führungskräften sollen Leitlinien für gute und gesunde Führung an die Hand gegeben werden.
Die Koalitionspartner haben außerdem eine verlässliche, zeit- und inhaltsgleiche Übertragung von Tarifabschlüssen auf die Besoldung der Beamtinnen und Beamten vereinbart. Weitergehende Verbesserungen, etwa bei Zulagen, stellen sie jedoch nicht in Aussicht.
Am Bremischen Personalvertretungsgesetz soll es keine Änderungen geben. Schlichtungs- und Einigungsstellenverfahren sollen im Rahmen der geltenden Fristen zügiger abgewickelt werden.
Ein entscheidendes Problem der Koalitionsvereinbarung liegt in der Finanzierung. Das zusätzliche Geld aus dem neuen Finanzausgleich und den Sanierungshilfen wird kaum für die umfangreichen Vorhaben der Koalition ausreichen.
Wo bleiben die Mehreinnahmen? Die vielzitierten 487 Mio. € müssen zunächst das 2019 noch erlaubte Defizit von 125 Mio. € ausgleichen. Zudem ist Bremen ab 2020 verpflichtet, jährlich im Durchschnitt 80 Mio. € Schulden zu tilgen. Damit steht bereits fast die Hälfte nicht für zusätzliche Ausgaben zur Verfügung. Auch ist aus konjunkturellen Gründen zu befürchten, dass die Steuereinnahmen hinter den Erwartungen zurückbleiben.
Es droht also weiterhin eine Unterfinanzierung öffentlicher Aufgaben, die nur vom Bund abgewendet werden kann. Hier will der neue Senat sich für eine stärkere Bekämpfung der Steuerhinterziehung und die Wiedereinführung der Vermögenssteuer einsetzen.
Die Koalitionspartner haben sich zwar bereits auf eine Reihe von Prioritäten verständigt, darunter die Deckung personeller Mehrbedarfe und die umfangreichen Neubau- und Sanierungsbedarfe bei KiTas und Schulen. Absehbar ist aber, dass der enge Finanzrahmen noch für eine Menge Diskussionen in der Koalition sorgen wird.
Die vielen Schul- und Kita-Bauprojekte stellen Bremen personell wie finanziell vor Herausforderungen. Deshalb soll geprüft werden, inwieweit die GEWOBA und die BREBAU Unterstützung leisten können.
Die Koalition bekennt sich deutlich zum öffentlichen Dienst und seiner Rolle für die Umsetzung ihrer Ziele und will ihn vorrangig dort stärken, wo er unmittelbare Dienstleistungen für die Bürgerinnen und Bürger erbringt.
Konkreter Ausdruck dessen ist, dass das Personalkürzungsprogramm PEP jetzt der Vergangenheit angehört. Zukünftig sollen die Personalbedarfe im gesamten öffentlichen Dienst aufgabenbezogen ermittelt werden. Das entspricht im Grundsatz einer langjährigen Forderung des Gesamtpersonalrats, ist aber natürlich noch keine Garantie für eine ausreichende Personalausstattung. Dazu ist es notwendig, dass das gesamte Aufgabenspektrum angemessen abgebildet wird und auch Arbeitsanteile berücksichtigt werden, die z.B. für die Weiterentwicklung von Arbeitsabläufen oder Digitalisierungsprojekte erforderlich sind.
Über den öffentlichen Dienst hinaus will die Koalition die öffentlichen Kliniken als zentralen Bestandteil der Gesundheitsversorgung absichern. Dazu will sie Möglichkeiten für deren finanzielle Entlastung suchen.
In der Frage der vollständigen Rekommunalisierung der Straßenreinigung legt die Koalition sich hingegen nicht fest. Diese soll an Hand der Kriterien Stadtsauberkeit, gute Arbeit, ökologische Aspekte sowie Wirtschaftlichkeit geprüft werden.
Die Stärkung des sozialen Zusammenhalts in Bremen zieht sich als roter Faden durch den Koalitionsvertrag. Teilhabemöglichkeiten und Chancengerechtigkeit für alle Bürgerinnen und Bürger sollen gesichert und weiterentwickelt werden. Der Bekämpfung von Armut kommt dabei eine Schlüsselrolle zu. Benachteiligungen aufgrund von Alter, Geschlecht, Herkunft, Religion, sexueller Orientierung oder einer Behinderung sollen überwunden werden.
In KiTas und Schulen sieht die Koalition wichtige Handlungsfelder, um der sozialen Spaltung Einhalt zu gebieten. Einrichtungen mit schwierigerer Ausgangslage sollen deshalb besser ausgestattet werden. Die Ausgaben für Bildung sollen schrittweise auf das Niveau der anderen Stadtstaaten steigen.
Stadtteilbezogene Einrichtungen wie Jugendfreizeitheime, Bürgerhäuser und Quartierszentren sollen ebenso gestärkt werden wie die medizinische Versorgung.
Die Koalition will erreichen, dass im Laufe der Wahlperiode 10.000 neue Wohnungen gebaut werden. Dabei soll der Anteil der Wohnungen, die als Sozialwohnungen angeboten werden müssen, auf 30 % erhöht werden. Im Wohnungsbestand sollen zusätzliche Belegungsrechte angekauft werden, um den Sozialwohnungsbestand auszuweiten.
Wohnungsbauflächen sollen zukünftig generell in Erbpacht vergeben werden, um die Bodenspekulation zu bremsen.