Der Übergang zwischen Schule und Beruf ist oft ein gewaltiger Schritt. Das gilt besonders für Jugendliche, die schon die eine oder andere Enttäuschung auf ihrem Bildungsweg erleben mussten. Ein Instrument, ihnen zu helfen, sollen Praktikumsklassen sein. Sie wurden massiv ausgebaut und mittlerweile flächendeckend an fast allen berufsbildenden Schulen in Bremen eingerichtet.
Weit mehr als 50 % der Schülerinnen und Schüler erreicht das Ziel dieses Bildungsganges nicht. Da muss es auch bei der Struktur und in der Organisation schwerwiegende Mängel geben. Zumal die Kriterien für einen erfolgreichen Schulbesuch deutlich nach unten korrigiert wurden und - gelinde formuliert - überschaubar sind: Die Jugendlichen brauchen über das Schuljahr hinweg nur acht Wochen Praktikumszeit nachweisen. Das sind ca. 20 % des gesamten Schuljahres. Dennoch scheitert die Mehrheit und nur die Wenigsten können am Ende des Schuljahres einen Ausbildungsvertrag unterschreiben.
Die Jugendlichen werden in den Praktikumsklassen an ein bis zwei Tagen in Kernfächern unterrichtet und an den anderen drei bis vier Wochentagen suchen oder absolvieren sie Praktika in Firmen und Betrieben. Hauptziel dieses einjährigen Teilzeitbildungsgangs ist der Übergang in ein Ausbildungsverhältnis. Dieses Ziel wird aber nur sehr selten und in den vergangenen Jahren auch immer seltener erreicht. Die Bildungsbehörde geht davon aus, dass die noch schulpflichtigen Jugendlichen - alle mit einem ersten allgemeinbildenden Schulabschluss ausgestattet - formal die Ausbildungsreife und die Berufsorientierung besitzen. Die Praxis zeigt aber ein krass anderes Bild. Die meisten von ihnen sind weder praktikums- noch ausbildungsreif, denn viele Lehrkräfte werten die "Einfache Berufsbildungsreife" nicht als erfolgversprechenden Abschluss am Ende der Sekundarstufe 1.
Ein Grund für die Ausweitung der Praktikumsklassen sind die Kosten: In den Praktikumsklassen mit zwei Schultagen pro Woche braucht das Bildungsressort weit weniger Lehrerwochenstunden zu finanzieren als in Vollzeit-Berufsfachschulen mit fünf Schultagen. Schülerinnen und Schüler mit Schulabschluss, Schulpflicht, aber ohne Ausbildungsvertrag werden vor allem den "billigen" Praktikumsklassen zugewiesen. Eine pädagogische Fehlentscheidung. Einer Schülerin mit mehreren "mangelhaft" und "ungenügend" sowie nahezu 100 unentschuldigten Fehltagen im Zeugnis ist der Schulabschluss "Berufsbildungsreife" zugesprochen worden, weil sie die Abschlussprüfungen bestanden hat. Danach ist sie in einer Praktikumsklasse gelandet - ohne wirkliche Perspektive auf einen erfolgreichen Übergang in den Beruf. Und dies ist ein Beispiel ohne Seltenheitswert. Die Einschätzung, dass "nahezu alle Schülerinnen und Schüler in der Oberschule einen Abschluss bekommen, damit die Zahlen stimmen", ist unter den Lehrkräften weit verbreitet. So bleibt auch das im rot-grün-roten Koalitionsvertrag formulierte Ziel "das Übergangssystem bietet jungen Menschen eine zweite Chance auf dem Weg zu einer Ausbildung" unerreichbar.
Die Lehrkräfte haben im besten Fall an 80 Schultagen pro Jahr (40 Schulwochen mal zwei Unterrichtstage) die Aufgabe, Defizite in der Grundbildung zu reduzieren, Wissen über Ausbildung und Berufe zu vermitteln, die Entwicklung der Persönlichkeit voranzutreiben, Selbständigkeit zu fördern. Eine nahezu unmögliche Aufgabe. Viele dieser Jugendlichen brauchen mehr Bildungszeit als die zwölf Schulpflichtjahre. Die Frustration bei Lehrkräften und Schülerinnen und Schülern nimmt stetig zu. Das Ergebnis ist oft ernüchternd: Die Schullaufbahn und die Schulpflicht wird häufig ohne Berufsperspektive beendet.
Das politische Ziel "keiner darf verloren gehen" wird seit mehreren Jahren so nicht erreicht. Die Lehrkräfte und die Sozialpädagogik reagieren mit einer Mischung aus Wut und Resignation.
Karsten Krüger