Vor einigen Wochen hat das neue Schuljahr im "eingeschränkten Regelbetrieb" begonnen. Die Klassenzimmer sind wieder voll, und eine Maskenpflicht im Unterricht gibt es nicht, so dass viele Kolleg*innen sich Sorgen um ihre Gesundheit und die ihrer Schüler*innen und deren Familien machen.
Die Beschäftigten an den Schulen - viele davon übrigens selbst Eltern von Kita- und Schulkindern - mussten sich während der Schulschließungen auf neue Arbeitsweisen, den Unterricht und pädagogische Angebote aus der Distanz einstellen, und sehr viele haben dies mit hohem Engagement und vielen kreativen Ideen getan.
Ich glaube, es ist in dieser Zeit sehr deutlich geworden, dass Schule viel mehr ist als ein Ort, an dem Wissen und Bildung vermittelt werden. Kinder und Jugendliche erfahren soziale Kontakte, Förderung und Unterstützung, verlässliche Mahlzeiten und werden - nicht zuletzt - auch beaufsichtigt, so dass Eltern ihrer Erwerbstätigkeit nachgehen können und Entlastung im Alltag erfahren.
In der Zeit des Lockdown hat sich gerächt, dass der Arbeitgeber es in den Jahren zuvor versäumt hat, den Beschäftigten an den Schulen die seit Jahren geforderte digitale Ausstattung für ihre Arbeit zur Verfügung zu stellen.
Man sagt ja, dass in Krisen auch Chancen stecken können, und so hat die Notwendigkeit von Distanzunterricht immerhin dazu geführt, dass Bremen jetzt für alle Lehrkräfte und Schüler*innen ein digitales Endgerät anschafft.
Was noch fehlt, ist eine grundlegende pädagogische Debatte darüber, wo und wie viel Einsatz digitaler Medien sinnvoll ist. Es fehlen Lehrpläne und Unterrichtsmaterialien, die dem Rechnung tragen. Nun muss leider alles schnell gehen, und jede Schule soll eigene Konzepte und Arbeitsweisen entwickeln, die den sowieso überlasteten Beschäftigten an den Schulen noch mehr Arbeit machen und zu einem Wildwuchs führen werden, der aus meiner Sicht für Bremen leider typisch ist.
Seit Anfang März werden die großen grundsätzlichen Entscheidungen die Schulen betreffend nicht mehr in der Bildungsbehörde, sondern im Senat getroffen, und das was in der Bildungsbehörde erarbeitet wird, erreicht uns Personalräte häufig nur als reine Information. Beteiligung und Mitbestimmung sehen anders aus. War es schon in der Vergangenheit nicht immer ganz einfach, unsere Mitbestimmungsrechte gegenüber der Behörde geltend zu machen, so hat sich dieser Zustand durch die Krise noch verschärft.
Jetzt muss dieser Zustand aber dringend beendet werden. Ja, die Pandemie ist keineswegs zu Ende und muss weiter ernst genommen werden, dennoch sind keine Schnellschüsse mehr gefragt. Man kann und muss sich jetzt wieder die Zeit nehmen, Konzepte und Ideen, Änderungen der Arbeitsorganisation, Fragen des Gesundheitsschutzes mit mehr Ruhe zu diskutieren und dann zu abgestimmten Entscheidungen zu kommen.
Wenn ich auf einer Personalräteversammlung zum Beispiel von den Kolleg*innen der Polizei oder der Justizvollzugsanstalten höre, wie viele Überstunden sie vor sich her schieben, bin ich jedes Mal bestürzt über das Ausmaß des Personalmangels dort.
Ich hätte als Personalrätin auch gerne einmal die Überstunden meiner Kolleg*innen an den Schulen vorgetragen - das geht nur leider nicht. Die werden nämlich nur dann erfasst, wenn es sich um Unterrichtsstunden handelt, die vergütet werden. Dummerweise werden zusätzlich erteilte Unterrichtsstunden aber in den meisten Fällen weder bezahlt noch ausgeglichen und die Mehrarbeit, die außerhalb des Unterrichts anfällt und die seit zwei Jahrzehnten in erheblichem Maße zunimmt, zählt schlicht gar nicht. Lehrkräfte haben leider immer noch den Ruf, wie sich Gerhard Schröder einst ausdrückte, "faule Säcke" zu sein, obwohl es inzwischen genug Belege gibt, zum Beispiel eine vom Niedersächsischen Kultusministerium in Auftrag gegebene Analyse von 2018, die zeigt, dass ein großer Teil der Lehrer*innen die gesetzlich vorgeschriebene Arbeitszeit regelmäßig, teils erheblich überschreitet.
Für das laufende Schuljahr hat sich die Bildungsbehörde eine ganze Reihe von neuen Aufgaben für die Schulen ausgedacht - leider hat sie vergessen zu erwähnen, was dafür weggelassen werden soll.
Also noch mehr Arbeit für das ohnehin überlastete Personal an den Schulen, in denen es bekanntermaßen seit Jahren an Lehrkräften und pädagogischem Fachpersonal mangelt. Besserung also nicht in Sicht.
Angelika Hanauer