MUMM hat dazu ein Interview mit Birgit Sprecher und Katharina Leenen von der Betrieblichen Sozialberatung (BSB) geführt.
MUMM: Resilienz ist ein Begriff, der in letzter Zeit immer häufiger auftaucht. Was verstehen Sie unter Resilienz?
BSB: Auf eine relativ einfache Erklärung reduziert, ist Resilienz eine Art Widerstandsfähigkeit. Also wie wir mit Belastungen und Herausforderungen umgehen und uns möglichst schnell wieder von belastenden Faktoren erholen können. Wie resilient wir sind, hängt von unserem Umgang damit ab. Es geht beispielsweise um die Themenbereiche der Selbstwahrnehmung und Reflexion, des Selbstvertrauens, der Zukunfts- und Lösungsorientierung, der Akzeptanz und des Optimismus, der sozialen Einbindung und Beziehung, aber auch eines gesunden Lebensstils.
MUMM: Hat jeder Mensch die Fähigkeit zur Resilienz?
BSB: Doch natürlich, jeder hat eine Form von Widerstandsfähigkeit. Es ist in erster Linie eine Frage der Ausprägung, dazu gehört auch, dass unsere persönlichen Einstellungen und Denkweisen unsere Resilienz beeinflussen. Der Altersforscher Sven Voelpel äußert dazu etwas überspitzt, Gesundheit entstehe im Kopf.
MUMM: Wie kann ich diese Fähigkeit erwerben beziehungsweise stärken?
BSB: Grundsätzlich kann man sagen, dass eine positive Grundhaltung zum Leben, zu mir selbst, den Anderen und der Welt an sich, die Resilienz stärkt und damit auch unser Selbstvertrauen und unsere Arbeitsleistung steigern kann. Resilienz ist auch eine Fokussierung auf das Positive im Leben, wobei auch schwierige Gefühle wie Trauer, Wut und Schmerz nicht verdrängt, sondern integriert und auf eine gute Art verarbeitet werden. Ich kann mich stärken, indem ich beispielsweise durch einen Kurs Impulse bekomme, wie ich mit Stress besser umgehen kann. Und auch mit einem gesundheitsbewussten Verhalten, ausreichend gesunder Ernährung und Bewegung stärke ich meine Widerstandsfähigkeit. Resilienz ist vielleicht bildlich gesehen, wie eine Pflanze, die gehegt und gepflegt werden muss, damit sie groß und stark wird. Um eine Pflanze richtig zu pflegen, muss ich aber auch wissen, was sie braucht. So ähnlich ist es auch mit uns. Wenn wir wissen, was wir benötigen bzw. was uns fehlt, können wir daran arbeiten, uns weiterentwickeln und resilienter werden.
MUMM: Wie kann die Sozialberatung dabei unterstützen?
BSB: Zur Betrieblichen Sozialberatung kommt selten jemand mit dem Anliegen: “Ich möchte meine Resilienz stärken.“ Die Beschäftigten kommen mit unterschiedlichen Beratungsanliegen. Im Laufe der Gespräche kann deutlich werden, dass dieses Anliegen in Verbindung mit persönlichen Fragen steht wie zum Beispiel: Wie gut kenne ich mich selbst, meine Fähigkeiten und Grenzen, Stärken und Schwächen? Wie steht es mit meinem Selbstvertrauen? Wie reagiere ich auf Veränderungen, vermeide ich sie, machen Sie mir Angst? Oder nehme ich sie an und betrachte ich sie als Herausforderung? In unserer Beratung legen wir dabei Wert darauf die Resilienz zu stärken, indem wir keine Ratschläge geben, sondern mit den Beschäftigten die o.g. Faktoren ansprechen und mit ihrem Anliegen in Verbindung bringen. So kommt es zumeist zu Lösungen die schon in dem Beschäftigten angelegt sind und ihm bei der Entscheidungsfindung helfen.
MUMM: Welche Bedeutung hat meine Widerstandsfähigkeit während der Pandemie?
BSB: Da wir uns in unserer Persönlichkeit und den Lebensbedingungen unterscheiden, werden wir durch die Pandemie auch unterschiedlich gefordert. Die Menschen, die bei den zu bewältigenden Herausforderungen eine gewisse Gelassenheit haben, sich nicht in Katastrophenszenarien verstricken und glauben, dass es irgendwann besser wird, kommen besser durch diese Zeit. Die Widerstandsfähigkeit wird auch dadurch gestärkt, dass wir uns nicht darauf konzentrieren, was alles nicht geht, sondern überlegen, was stattdessen möglich ist. Ich kann vielleicht nicht ins Sportstudio, ich kann aber eine Decke im Wohnzimmer ausrollen und ein paar Übungen machen oder eine Runde spazieren gehen. Das ist kein Ersatz für das Sportstudio oder den Sportverein. Dennoch tue ich etwas für mich und stärke mich so.
MUMM: Inwiefern haben sich Beratungsanfragen an die BSB unter Corona verändert?
BSB: Die Themen sind im Großen und Ganzen die gleichen. Es ist jedoch so, als ob die Corona Pandemie ein Brennglas auf bestehende Probleme gelegt hat. Konflikte und Spannungen haben sich in vielen Familien verstärkt. Auch das soziale Miteinander am Arbeitsplatz hat sich verändert. Menschen mit sozialen Ängsten oder depressiven Anteilen haben unter den Kontaktbeschränkungen besonders gelitten. So ist beispielsweise eine Klientin, wie viele andere, durch die Pandemie in eine soziale Isolation geraten. Nachdem die Möglichkeit bestand, sich wieder vermehrt mit Menschen zu treffen, äußerte sie: „Obwohl ich nun wieder mehr Kontakt zu anderen Menschen habe, kann ich mich nicht freuen.“ Die Auswirkungen der Pandemie hatten ihre Rückzugstendenzen verstärkt und dazu geführt, dass sie in ein depressives Loch fiel.
MUMM: Welche Herausforderungen sehen Sie für die Zeit nach der Pandemie?
BSB: Die Pandemie hat uns alle gefordert und es wird dauern, bis wir in einen „normalen“ Alltag zurückfinden. Viele Menschen werden durch die Herausforderungen der Pandemie erschöpft sein und dies aber erst mit einer Verzögerung spüren. Das werden wir auch in den Dienststellen merken. Wir sollten uns darauf einstellen, dass wir nicht mehr dieselben sind wie vor der Pandemie.
Das Interview führte Daniela Koltzau