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Whatsapp gegen Lost-Gefühle

Corona und die Erstis im dualen Studium

Eine junge Frau am Schreibtisch. Darauf stehen ein Notebook und ein Tablet
Im privaten Zoom-Room statt im Hörsaal: Hanane Bayodi hofft auf Öffnung der Hochschule. (c) privat

Hanane Bayodi ist vor der Corona Pandemie von Düsseldorf nach Bremen gezogen, um hier zu studieren. Hier ihr Erfahrungsbericht:
Neues Kapitel, neue Stadt, neue Leute - meine Freude über den Umzug nach Bremen war groß. Als dann die Zusage für das Duale Studium Public Administration zum Wintersemester 2020 vom Aus- und Fortbildungszentrum kam, war meine Freude noch größer. Schließlich hat man als Student:in die besten Jahre und ein Studium in einer neuen Stadt hilft, um richtig Fuß zu fassen und neue Freund:innen kennenzulernen. Ich hörte alle von ihrer ersten Orientierungswoche schwärmen: lange Abende an der Schlachte, Partyspiele am Osterdeich, Kennlernen des Hochschulgeländes oder nur gemütlich mit anderen Kommiliton:innen in der Cafeteria sitzen. Das alles konnte ich mir richtig schön vorstellen. Doch dann kam die Erkenntnis über mich, dass alles, was ich im ersten Semester vor die Augen kriegen werde, der Bildschirm meines Laptops sein wird. Und tatsächlich: Meine Orientierungswoche sah dann so aus, dass die Tutor:innen aus dem 2. und 3. Semester mit viel Mühe für uns „Erstis“ virtuelle Veranstaltungen über Zoom gestalten mussten. Gemeinsame Abende und Spiele ja, aber nur online. Corona sei Dank! Als wäre das nicht schon schlimm genug, muss man sich als Ersti immer viel von den höheren Jahrgängen anhören, da man in deren Schuhe allwissender Student:innen noch reinwachsen muss. Aber als Ersti inmitten von Corona musste man direkt wie ein Profi handeln. Als die ersten Vorlesungen begannen, hat es nicht lange gedauert, bis ich mich daher absolut „lost“ gefühlt habe: Was ist Zoom? Wie funktioniert das jetzt? Wie viele Homepages hat die Hochschule? Kann ich zum x-ten Mal fragen, wie ich zum Link mit dem Stundenplan komme? All das schwirrte mir im Kopf herum, doch schneller als ich mir die Fragen gestellt habe, waren sie auch schon wieder beantwortet: Mit Hilfe vom Whatsapp-Gruppenchat. Das rettete mich - auch jetzt noch, ein Jahr später. Es hat sich nämlich herausgestellt, dass ich mit meinen Gedanken durchaus nicht allein war, sondern alle meine Mitstudierenden sich auch diese Fragen gestellt haben. Der Austausch über Whatsapp verlief überraschender Weise sehr gut und unkompliziert. Eine Gruppe voller Fremder, die denselben Kummer auf die gleiche humorvolle Art teilten. So fühlte man sich bald nicht mehr lost sondern verstanden und vertraut.
Auch während der Prüfungsphase stellten sich durch die Online-Semester immer mehr Fragen und Hindernisse in den Weg. Eine lange Zeit wurde darüber diskutiert, ob wir Student:innen die Klausuren auch tatsächlich online schreiben dürfen, oder ob dadurch eventuell die Beamt:innenlaufbahn gefährdet ist. Es war uns allen wichtig, für diese Problematik eine schnelle Lösung zu finden, die weder unsere Gesundheit gefährdet noch einen Nachteil zu den anderen Jahrgängen hat.
Für die Klausurphase wurde uns außerdem von den Tutor:innen und auch von jedem Dozent:innen geraten, sich nicht allein durch die Prüfungen zu schlagen. Man sollte sich Kommiliton:innen an die Seite holen und mit Hilfe von Teamwork und Zusammenarbeit für die Klausuren lernen. Zu Beginn des Studiums habe ich mir immer wieder die Frage gestellt, wie ich meine Lernbuddys finden soll, wenn man sich nur online in den Vorlesungen sieht. Heute weiß ich gar nicht mehr, wie es dazu gekommen ist, wer wen zuerst über Whatsapp angeschrieben und sich daraus diese Lernfreundschaft entwickelt hat. Aber egal wie das Geschehen ist, ich bin unheimlich froh darüber, meine drei Lernsisters gefunden zu haben. Das erste Semester haben wir uns nur via Zoom zum Lernen zusammengesetzt. Im zweiten Semester versuchten wir, so oft die aktuelle Corona-Lage es zuließ, uns persönlich zusammen zu setzen - ob zum gemeinsamen Lernen, zum Frühstück im Garten oder zum Eis essen an der Weser. Trotz aller Schwierigkeiten durch Corona hat sich doch eine ganz normal auf das Studium zurückzuführende Freundschaft entwickelt. Gemeinsam werden wir auch zukünftig alle studentischen und pandemischen Situationen meistern. Jetzt hoffe ich darauf, dass zum dritten Semester die Hochschule wieder öffnet, denn im Hörsaal statt Zoom-Room zu sitzen, wäre für uns alle wichtig.

Aufgeschrieben von: Ivonne Weinhold