Stunden ansparen und dann für eine gewisse Zeit oder früher aus dem Berufsleben aussteigen können, je nach dem eigenen Bedürfnis und der individuellen Lebenssituation. Das wünschen sich viele Beschäftigte. Viele Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber beschäftigen sich im Wettbewerb um gute Fachkräfte mit ihrer Attraktivität. Auch die Einführung von Lebensarbeitszeitkonten können hierbei eine Rolle spielen. Gerade in der privaten Wirtschaft scheint es recht attraktive Modelle zu geben.
Der Bremer Senat hingegen hat die Einführung von Lebensarbeitszeitkonten im Rahmen der Haushaltseckwerte beschlossen. Eine Einflussnahme der Interessenvertretungen wurde abgelehnt. Das stimmt misstrauisch.
Inzwischen hat der Senat in der Arbeitszeitverordnung für Beamtinnen und Beamte eine Regelung für einen fünfjährigen Test über das Führen von Lebensarbeitszeitkonten geschaffen - trotz der deutlichen Kritik des Gesamtpersonalrates und der örtlichen Interessenvertretungen sowie der Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes. Der Haupttenor der Kritik: Es ist eine einseitig erstellte Regelung und die überwiegenden Vorteile liegen auf der Arbeitgeberseite.
Nur wenn Dienstvorgesetzte festgestellt haben, dass ein tatsächlicher personeller Mehrbedarf seit mindestens vier Monate besteht, erhalten die Kolleg:innen die Möglichkeit über freiwillige Mehrarbeit bis zu fünf Stunden in der Woche und insgesamt 1.200 Stunden auf ein Lebensarbeitszeitkonto „anzusparen“. In einer Vollzeitbeschäftigung entsprächen das 150 Tage.
Eine Mehrarbeit von fünf Stunden über einen längeren Zeitraum halten wir für eine sehr starke gesundheitliche Belastung. Wir befürchten, dass die Möglichkeit des Lebensarbeitszeitkontos die Bereiche treffen wird, wo die Kolleg:innen bereits jetzt unter hohem Druck arbeiten, wie beispielsweise die Polizei. Dort ist der Überstundenberg bereits jetzt auf 400.000 Stunden angewachsen, und es gibt keine Lösungen, wie er abgebaut werden kann. Ob es tatsächlich eine Freiwilligkeit gibt in hierarchischen Verhältnissen, darf zudem bezweifelt werden.
Die für Beschäftigte sehr interessante Phase der Entnahme von Stunden aus dem Lebensarbeitszeitkonto ist in der Regelung des Senats stark eingeschränkt. Die Stunden können zusammenhängend unmittelbar vor dem Eintritt in den Ruhestand, für (Familien-)Pflegezeiten oder Weiterbildungszwecke genommen werden. Andere persönliche Gründe werden nicht zugelassen.
Zudem gibt es keine Garantie, die angesparten Stunden vollständig zurück zu bekommen. Bei Krankheit verfallen Stunden. Erst bei dauerhaften Erkrankungen über 42 Tage hinaus, bei Elternzeit und Mutterschutz findet eine Unterbrechung der Stundenentnahme durch eine Unzumutbarkeitsregelung statt.
Die Gefahr einer Verjährung von geleisteten Mehrarbeitsstunden nach drei Jahren konnte bisher nicht ausgeräumt werden. Da es im Beamtengesetz keine Regelung für eine Verjährungsfrist der Besoldungsansprüche aus dem Beamtenverhältnis gibt, gilt die nach § 195 BGB festgelegte Verjährungsfrist von drei Jahren. Hier soll erst noch eine Lösung gefunden werden.
Für eine reibungslose Entnahme von Mehrarbeitsstunden aus dem Lebensarbeitszeitkonto gibt es weitere Hemmnisse. Ist aus dringenden dienstlichen Gründen kein Freizeitausgleich möglich, soll es eine finanzielle Abgeltung geben. Diese ist ebenfalls bei Tod oder unvorhergesehenes Ausscheiden aus dem Dienst vorgesehen. Bei einem Dienstherrenwechsel soll es eine finanzielle Abgeltung geben, wenn ein Freizeitausgleich nicht mehr möglich ist. Eine finanzielle Abgeltung ist zusätzlich über eine Unzumutbarkeitsregelung z. B. bei einer längerfristigen Erkrankung über 42 Tage hinaus, vorgesehen.
Insgesamt wird deutlich, dass die Regelung des Senats zu Lebensarbeitszeitkonten für Beamtinnen und Beamte für den Arbeitgeber äußerst vorteilhaft ist. Die Kolleg:innen arbeiten für einen längeren Zeitraum mehr und sollen damit das Problem von nicht besetzten Stellen oder einer zu geringen Personalausstattung lösen. Sie dürfen hingegen nur zu sehr begrenzten Zwecken Stunden aus ihrem Konto entnehmen. Ob und wann sie die Stunden entnehmen dürfen, können die Kolleg:innen nicht selbst entscheiden. Das letzte Wort hat der Arbeitgeber.
Wir hätten uns gewünscht, dass mit dem Gesamtpersonalrat eine gute Regelung verhandelt worden wäre. Soll ein Lebensarbeitszeitkonto ein wirksames Instrument zur Verbesserung von Rahmenbedingungen für Beschäftigte sein, darf es nicht vorwiegend um das Auffangen von personellen Engpässen gehen. Sonst entstehen Regelungen, die die Gesundheit nachhaltig schädigen können. Ebenfalls ist es wichtig, dass die Gründe für die Zeitentnahme flexibler gestaltet und die Möglichkeit ein Zeitguthaben anzusparen allen Kolleg:innen eröffnet wird.
Lars Hartwig