„Der Autotransporter MV FIGARO wird in Bremerhaven erwartet. Das Schiff ist von der Bremer Lagerhaus-Gesellschaft an der Erzpier im Nordhafen geplant für einen Donnerstag, Schichtbeginn 6 Uhr. Die FIGARO hat eine Länge von 228 Metern und 32,3 Metern Breite.“
Mit einer solchen Meldung wird ein komplexer Prozess in Gang gesetzt. Gesteuert wird er vom Hansestadt Bremischen Hafenamt (HBH). Hier arbeiten 80 Kolleg:innen, die für einen sicheren und möglichst reibungslosen Schiffsverkehr in den stadtbremischen Häfen zuständig sind. Wenn das Schiff nicht pünktlich und arbeitsbereit am Liegeplatz ist, sind Verluste nicht nur finanzieller Art im Hafen die Folge. An jeder Ladung hängen unmittelbare Arbeitsplätze und Existenzen. Beratend unterstützt das HBH auch den Betrieb der zur Stadt Bremerhaven gehörenden Häfen.
In der Abteilung Nautik im Hafenamt in Bremerhaven befindet sich die Informationsschnittstelle zwischen allen Hafeninteressenten und den Schiffen. Sie koordinieren alle Aktivitäten, die für das sichere Ein- oder Auslaufen eines Schiffes benötigt werden. Der übrige Verkehrsablauf, schifffahrtspolizeiliche Genehmigungen und Einschränkungen bezüglich Schiffsdimensionen und Manövrierfähigkeit bilden die Rahmenbedingungen für die Ablaufplanung und zeitliche Platzierung im Verkehrsablauf.
Im Fall der FIGARO stellt sich nach Übernahme der Schiffsanmeldung am Montag und Liegeplatzplanung am Dienstag heraus, dass am Liegeplatz stellenweise 0,7 Meter zu wenig Wassertiefe vorhanden ist für den Schiffstiefgang von 9,9 Meter. Der Hafenmeister vereinbart mit (der 2004 aus dem HBH ausgegliederten) bremenports, dass der Spüler bis Donnerstag am Liegeplatz die benötigte Tiefe herstellt.
Die FIGARO wird um 22 Uhr bei Tonne Weser erwartet. Dort wird der Seelotse an Bord kommen. Mit dem Tiefgang von 9,9 Metern kann das Schiff nur zwei Stunden nach Niedrigwasser bis drei Stunden nach Hochwasser die Schleuse befahren. Das Niedrigwasser ist um 22 Uhr.
Eine direkte Durchfahrt ist nicht möglich. Zwischen 23 Uhr und 3 Uhr sind nicht ausreichend Schlepper verfügbar. Des Weiteren ist bereits bekannt, dass ein Containerschiff Bremerhaven verlassen wird, bei dem auf Grund seiner außergewöhnlich großen Abmessungen auf der Weser zwischen 1 und 2 Uhr kein Gegenverkehr möglich ist.
Um 2:15 Uhr meldet sich der Seelotse von Bord der FIGARO über UKW, dass er um 3:30 Uhr bei Tonne 49 sein wird. Dann benötigt er für seine „Ablösung“ die Hafenlotsen und für das Schiff zwei Schlepper.
Umgehend werden vom HBH wegen der Größe des Schiffes zwei Hafenlotsen angefordert und über den Anlauf informiert.
Der Ostwind mit Windstärke 4 erschwert das Befahren und Festmachen in der Nordschleuse, so dass drei Schlepper angefordert werden. Als Nächstes werden Festmacher, Lotsenversetzer und die Schleuse über die Ankunft der FIGARO informiert.
Die FIGARO wird über die Nordschleuse eingeschleust. Gesteuert wird diese vom Schleusenaufseher der Kaiserschleuse, der außerdem auch noch den Betrieb der Neuen Schleuse, den Freilaufkanal, das Hafenpumpwerk, die Straßenüberfahrten und die Klappbrücke regelt.
Die Kammer der Nordschleuse ist eine Stunde vor Schiffsankunft beim Hafenlotsen mit Schleppern belegt, die eingeschleust werden, um das nächste ausgehende Schiff zu bedienen. Sobald die Kammer frei wird, muss die Schleuse umgehend umgesetzt werden. Für das Schließen der Tore, das Ausgleichen der Kammer und Auffahren des Außenhaupts werden gut 45 Minuten benötigt. Damit ist die Schleuse rechtzeitig geöffnet, bevor die FIGARO in den Vorhafen eindreht.
Die FIGARO übernimmt pünktlich die Hafenlotsen und kann 30 Minuten später in den Vorhafen der Nordschleuse einfahren. Nachdem das Schiff in der Schleuse festgemacht hat, veranlasst der Schleusenaufseher, die Tore und Überfahrten zu schließen und die Kammer auf Hafenwasserstand auszugleichen. 30 Minuten später kann das Schiff die Nordschleuse verlassen und liegt um 5:20 Uhr ordnungsgemäß vertäut am Liegeplatz.Der Hafenlotse meldet sich über UKW 12 für weitere Einsätze wieder klar und gibt die Zeiten durch, wann die FIGARO in der Schleuse fest gemacht wurde, wieder losgeschmissen hat und letztlich am Liegeplatz fest war.
Kai Mües