Heute bleibt die Küche in der KiTa Bei den drei Pfählen kalt, denn es wird sehr heiß. Frisches Brot mit hausgemachter Kräuterbutter, dazu Knabbergemüse und Obst. Fast alles Bio-Produkte. „Ich bin ein Fan von Bio“, sagt Küchenleiterin Sonja Gersema. „Wir müssen wegkommen von einer Lebensmittelproduktion, die die Umwelt und letztlich auch uns selbst zerstört. 100% Bio Lebensmittel in allen Kinder- und Familienzentren wären ein großartiger Bremer Beitrag zum Klimaschutz.“
Der Senat hat im Jahr 2018 dazu einen Aktionsplan 2025 beschlossen. Demnach soll die öffentliche Gemeinschaftsverpflegung ab 2025 vollständig auf Bio umgestellt werden. Die Umsetzung bereitet Sonja Gersema und ihren Kolleg:innen in anderen Häusern allerdings Kopfzerbrechen. Größtes Problem: Es darf (natürlich) nicht mehr kosten. „Bisher bin ich mit meinem Budget immer über die Runden gekommen“, sagt Sonja Gersema, „aber eine Umstellung auf 100% Bioprodukte mit gleichem Budget ist nicht möglich.“
Ein Modellversuch im Jahr 2017 hat ergeben, dass die Umstellung auf Bio die Kosten im Einkauf um etwa 15% erhöht. Das ist auf den ersten Blick zwar überraschend wenig. Aber doch zu viel, um die Mehrkosten aus einem nicht gerade üppigen Budget selbst zu erwirtschaften.
Als Vorbild wird Kopenhagen hingestellt. Dort hat man sich schon vor einigen Jahren auf den Weg zur Bio-Gemeinschaftsverpflegung gemacht und dies offenbar ohne größere Kostensprünge hingekriegt. Kopenhagen ist dabei allerdings von einem höheren Niveau gestartet.
Es gebe noch Möglichkeiten, die Kosten im Einkauf zu reduzieren, erläutert Sonja Gersema. So könnten verstärkt völlig unverarbeitete Lebensmittel eingesetzt werden. Das bedeutet dann aber mehr Arbeit vor Ort, für die entsprechend personelle Ressourcen bereitgestellt werden müssten. Einsparungen könnten auch durch die konsequente Vermeidung teurerer Lebensmittel erreicht werden. „Weißkohl statt Brokkoli spart Geld. Aber Brokkoli mögen die meisten Kinder bei uns viel lieber.“
Eine andere Möglichkeit könnte sein, den Einkauf zu zentralisieren und mit größeren Abnahmemengen und Marktmacht günstigere Preise zu verhandeln. Nebenbei könnte dies allerdings auch eine weitgehende Zentralisierung der Speisepläne nach sich ziehen. Mit Blick auf das umfassende pädagogische Konzept, das KiTa Bremen zum Thema Essen & Trinken erarbeitet hat, wäre das ein Schlag ins Kontor. Und für die Arbeit der Küchen vor Ort eine deutliche Abwertung. „Mich als Köchin in ein solches Korsett zu schnüren, nähme mir die Freude an meiner Arbeit“, sagt Sonja Gersema. Auf längerer Sicht droht auch der Abbau von qualifizierten Frauen-Arbeitsplätzen, denn bei präziser Rezepturvorlage braucht es im Grunde keine ausgebildeten Köch:innen mehr. „Vor 25 Jahren habe ich mich als Köchin und junge Mutter ganz bewusst für Kita Bremen entschieden. Ansonsten hätte ich meinen Beruf nicht mehr ausüben können“
Die KiTa-Geschäftsführung hat unlängst klargestellt, dass sie keine solchen Pläne verfolgt. Gleichzeitig deuten aber manche Umsetzungsschritte, die jetzt in Angriff genommen werden, durchaus auf eine stärkere Standardisierung hin. So sucht die Training Kitchen, ein Projekt von SKUMS, „Protoküchen“, die in der Umsetzung vorangehen und als Modell und Vorbild für die anderen Häuser gelten. Eine Voraussetzung, um „Protoküche“ zu werden, ist die „Intensive Verwendung von festen Speiseplänen mit standardisierten Rezepturen“.
Die Training Kitchen, die nach dem letzten Stand in der leerstehenden Kantine beim Senator für Finanzen eingerichtet werden soll, ist ein zentrales Instrument für die Umsetzung des Aktionsplans 2025. Hier sollen Küchenteams Techniken und Methoden erlernen, mit denen sie den kostenneutralen Umstieg auf Bio schaffen. Für die Präsenzverasnstaltungen in der Training Kitchen ist auch eigens Geld für entsprechende Springerkräfte bereitgestellt worden. Für den großen Teil der Fortbildungsangebote, in denen online theoretisches Wissen vermittelt werden soll, steht dagegen bisher keine Entlastung in Aussicht. Das empört Sonja Gersema: „Niemand sollte glauben, dass wir neben der alltäglichen Arbeit in der Küche, also quasi beim Zwiebeln schneiden, noch sinnvoll an einem Seminar teilnehmen können. So macht man nur die Motivation kaputt.“
Und die Motivation der Beteiligten, das wissen wir aus unterschiedlichsten Projekten, ist ein entscheidender Erfolgsfaktor.
Burkhard Winsaemann