Eigentlich hatte ich mir überlegt, mich für das Letzte dieser Ausgabe einmal genüsslich zurückzulehnen und einer künstlichen Intelligenz (KI) das Schreiben zu überlassen. Genauer wollte ich zwei künstliche Intelligenzen zu einem Streitgespräch über den Einsatz künstlicher Intelligenz in der öffentlichen Verwaltung animieren. Doch daraus wurde nichts.
Denn als ich gegenüber der einen KI offengelegt habe, dass ich sie mit Aussagen einer anderen konfrontiere, reagierte sie erkennbar reserviert bis beleidigt darauf. Darüber wiederum habe ich mit der anderen KI gesprochen, die sich keineswegs verwundert zeigte und mir ein paar Tipps zum Umgang mit empfindsamen KIs gab: „Wenn du diese Tipps befolgst, kannst du dazu beitragen, dass die KI sich besser fühlt und eure Beziehung wiederhergestellt wird.“ So richtig geklärt sei allerdings noch nicht, ob KIs Gefühle haben oder nicht, schränkte sie auf nochmalige Nachfrage ein.
Immerhin haben auch andere schon die Beobachtung gemacht, dass KIs launisch sein können. So machte in der Vorweihnachtszeit ein Artikel die Runde, demzufolge ChatGPT in eine Art „Winterdepression“ gefallen sei. Die Antworten fielen seit Ende November weitaus knapper und lustloser aus als noch vor wenigen Monaten. Auch ein Entwickler soll die Beobachtung - wenn auch nicht die „klinische“ Diagnose – bestätigt haben.
Was auf den ersten Blick betrüblich erscheinen mag, könnte für die strapazierten öffentlichen Haushalte ein großer Gewinn sein. Denn wer kennt sie nicht, die Klage über das „Dezemberfieber“, das landauf, landab in öffentlichen Verwaltungen dazu führe, kurz vor Jahresende noch Ausgaben von zweifelhaftem Nutzen zu tätigen, damit das im Haushalt bereitgestellte Geld nicht verfällt? Das ist zwar Schmäh von vorgestern, weil fast überall das Haushaltsrecht weitgehend flexibilisiert wurde, so dass es kaum noch Anreize für solches Verhalten liefert - aber was macht das schon? Überließe man jedenfalls das Geldausgeben einer KI, könnten vielleicht auf Grund ihrer frühwinterlichen Antriebslosigkeit im entscheidenden Moment diese Aktivität auf das unbedingt Notwendige reduziert werden. Ein Gewinn für wirtschaftliches Handeln und Haushaltsdisziplin? Leider nur bedingt.
Das Problem ist ja nicht an sich, dass zur Verfügung gestelltes Geld auch ausgegeben wird, sondern dass es in manchen Fällen im nächsten Jahr sinnvoller und wirtschaftlicher ausgegeben werden könnte. Nun aber hat das Bundesverfassungsgericht mit seinem Urteil zur Schuldenbremse das Prinzip der Jährlichkeit gestärkt und verlangt insbesondere, dass Kreditaufnahmen, die über die engen Grenzen der Schuldenbremse hinausgehen, im jeweiligen Haushaltsjahr durch die Feststellung eines Ausnahmetatbestandes gerechtfertigt werden.
Demokratietheoretisch ist das durchaus nachvollziehbar. Worin allerdings der praktische Nutzen liegen soll, hat sich mir noch nicht erschlossen. Sollen Regierungen lieber überstürzt und unüberlegt Geld ausgeben, um nicht erneut die Feststellung einer Notlage beantragen zu müssen? Oder läuft es darauf hinaus, quasi routinemäßig immer wieder zu beschließen, was ohnehin jeder weiß: Wir haben eine Klimakrise.
Wir brauchen dringend eine Reform der Schuldenbremse, die die Kreditaufnahme statt an formale Hürden an inhaltliche Kriterien bindet: Welcher gesellschaftliche Nutzen kann mit der so finanzierten Maßnahme über das Haushaltsjahr hinaus erreicht oder welcher Schaden vermieden werden? In einem solchen Rahmen wäre es besser möglich, mit finanziellen Schulden gleichermaßen verantwortungsvoll umzugehen wie mit ökologischen oder sozialen Schulden.
Burkhard Winsemann